Fahrbericht: Nissan Ariya

28.04.2022 von Thomas Geiger

Die Rückkehr eines Pioniers

Mit dem Leaf gehörte Nissan zu den Pionieren der Elektromobilität. Über eine halbe Millionen Mal wurde der kompakte Stromer weltweit verkauft. An diesen Erfolg soll das erste Elektro-SUV der Marke, der Nissan Ariya, nun anknüpfen. Ein erster Fahrbericht.

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Aber auch wer zu früh dran ist, schaut mitunter in die Röhre. Niemand hat das schmerzhafter lernen müssen, als die elektrischen Erstlinge. Denn egal ob BMW i3, Renault Zoe oder eben Nissan Leaf – als sie kamen, haben sie alle viel Aufmerksamkeit erregt und Lob geerntet. Und wurden danach von der Konkurrenz überrollt.

Einer von vielen: Ariya startet im umkämpfen Mittelklasse-SUV-Segment

Die Japaner sind so vom Weltmarktführer zum Statisten unter den Stromern verkommen und haben nun entsprechend viel Rückstand. Und dann kamen auch noch der Skandal um ihren Präsidenten Carlos Ghosn, die Halbleiterkrise und Corona dazwischen. Doch jetzt endlich soll Schluss sein und der Erfinder des einstmals meistverkauften Elektroautos der Welt startet in diesem Sommer mit dem neuen Ariya zur großen Aufholjagd. Technisch eng verwandt mit dem Renault Megane E-Tech Electric, aber eine Klasse größer und ein Drittel teurer, soll er im Spätsommer zu Preisen ab etwa 47.500 Euro Konkurrenten wie dem VW ID.4, dem Škoda Enyaq iV, dem Ford Mustang Mach-E oder dem Hyundai Ioniq 5 zeigen, wo hier der Hammer hängt.

Bei der ersten Fahrt gibt sich der Ariya keine Blöße: Er wirkt wie alle Elektroautos für sein Format von 4,60 Metern überraschend handlich, sein Drehmomentaufbau ist schneller als die Reifen auf nassem Asphalt verkraften und natürlich fährt er flüsterleise. Auch die Betriebsstrategie ist eingängig: Die drei verschiedenen Fahrmodi fördern tatsächlich unterschiedliche Charaktere zu Tage und wo andere Hersteller ihre Kunden mit unzähligen Rekuperationsstufen behelligen, fährt man den Ariya entweder wie ein normales Auto mit zwei Pedalen oder aktiviert mit einem Knopfdruck das e-Pedal und kommt dann wirklich ohne mechanische Bremse aus.

Nissan erteilt Android Automotive OS eine Absage

Nicht ganz so ausgereift ist allerdings das Infotainment: Zwar hat Nissan neben einer eigenen Sprachsteuerung auch Alexa und eine Google-Suche nach Sonderzielen integriert. Anders als die Schwester Renault nutzen die Japaner aber noch nicht das komplette Betriebssystem aus dem Silicon Valley, sprich Android Automotive OS. Beim Rekuperieren gibt es keine Verbindung zur Navigation oder zum Vorausfahrenden und wer seine Batterie vor dem Ladestopp entsprechend konditionieren will, muss deren Heizung selbst anschalten, wo das bei vielen anderen E-Autos mittlerweile automatisch funktioniert.

Ariya 63 kWh Ariya 87 kWh Ariya e-4ORCE 87 kWh
Batterie (brutto/netto): 66 kWh/63 kWh 91 kWh/87 kWh 91 kWh/ 87 kWh
Reichweite (WLTP): bis zu 420 km bis zu 530 km bis zu 490 km
Leistung: 160 kW 178 kW 225 kW
Drehmoment: 300 Nm 300 Nm 600 Nm
Beschleunigung (0-100 km/h): 7,5 s 7,6 s 5,7 s
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h 160 km/h 200 km/h
max. Ladeleistung: 130 kW 130 kW 130 kW
Preis DE: 47.490 € 59.990 € 62.990 €
Preis AT: N/A N/A N/A

Angeboten wird der Ariya zunächst in drei Konfigurationen: Das Basismodell fährt mit einem 160 kW starken E-Motor an der Vorderachse und einem Akku mit 63 Kilowattstunden Kapazität, der für bis zu 420 Kilometer reichen soll. Den gleichen Motor gibt es auch mit 87-kWh-Akku und dann rund 530 Kilometern Reichweite. Im Topmodell kombinieren die Japaner den großen Akku mit einem zweiten Motor an der Hinterachse und kommen mit dem Allradantrieb auf 225 kW und einen Aktionsradius von 490 Kilometern. Später wird noch die leistungsoptimierte „Performance“-Version folgen, die gar 290 kW auf die beiden Achsen stemmt.

Bordlader mit bis zu 22 kW und endlich auch CCS

Geladen wird zu Hause oder an der AC-Ladestation entweder mit einphasigen 7,4 oder – gegen Aufpreis – mit dreiphasigen 22 kW, wobei beim großen Akku der Dreiphasenlader serienmäßig verbaut wird. Unabhängig von der Akkugröße sind am DC-Lader bis zu 130 kW möglich, so dass auch der große Akku binnen 40 Minuten den Sprung von zehn auf 80 Prozent schafft. Auf der Autobahn sind für den Fronttriebler 160 und für den Allradler in dieser Klasse ziemlich konkurrenzlose 200 km/h drin.

Weil es zum Wohlgefühl auf Reisen aber mehr braucht als das reine Gewissen, geht Nissan auch beim Interieur den nächsten Schritt. Deshalb gibt es reichlich Platz selbst in der zweiten Reihe, ein schmuckes Digital-Display, statt lästiger Sensorfelder hübsch in den Konsolen integrierte Schaltflächen und ein paar coole Gimmicks: Neben dem Handschuhfach zum Beispiel haben die Japaner noch eine elektrische Schublade im Armaturenbrett versteckt und wer dem Sitznachbarn ans Knie will, der kann die Mittelkonsole elektrisch nach hinten fahren. Ach ja, und das japanische Kumiko-Dekor steht dem Ariya auch nicht schlecht – selbst wenn die streng geometrischen Ornamente aus Kunstsoff sind und nicht wie in den Luxusvillen von Tokio aus Kirschholz.

Nissans neuer Bestseller?

Zwar ist der Ariya zugeschnitten auf das Heer elektrischer SUV, das sich gerade an den Ladesäulen breitmacht. Doch dürfte er intern vor allem dem Bestseller Qashqai das Leben schwermachen. Denn mit knapp 4,60 Metern ähnlich groß, dank der platzsparenden Elektrotechnik im Wagenboden aber sehr viel geräumiger, sieht er mit seiner von innen beleuchteten Front und der schnittigen Dachlinie nicht nur um Längen besser aus, sondern bietet als erster Stromer bei Nissan auch noch vergleichbare Fahrleistungen – und kann dank optionalen Allradantriebs sogar im Gelände mithalten. Und wenn man die aktuellen Förderungen mit einrechnet und beim anderen die Ausstattung ein bisschen aufpeppt, liegen die beiden gar nicht mehr so weit auseinander.

Fotos: Nissan

Technische Daten
Fahrzeugbezeichnung: Nissan Ariya 87 kWh
Fahrzeugbeschreibung: fünftüriger, fünfsitziger Mittelklasse-SUV
ANTRIEB
Bauart: Vorderradantrieb
Leistung: 178 kW
Drehmoment: 300 Nm
BATTERIE & LADESTANDARD
Energieinhalt (brutto/netto): 91 kWh/87 kWh
Batteriegarantie: 8 Jahre oder 160.000 km
Garantierte Batteriekapazität:
Wärmemanagement: Flüssig-Thermalmanagement
Ladestandard AC: Typ 2 22 kW 3p
Ladestandard DC: CCS 130 kW
Ladezeit AC 22-kW-Ladestation 0-100 %: ca. 4 h 30 min (geschätzt)
Ladezeit DC 150-kW-Ladestation 10-80 %: < 40 min
FAHRLEISTUNGEN
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h): 7,6 s
REICHWEITE & VERBRAUCH
WLTP: 530 km
NEFZ: N/A
EPA: N/A
Verbrauch (WLTP): 19,4 kWh/100 km
ABMESSUNGEN & GEWICHT
Länge x Breite (ohne Spiegel) x Höhe: 4,595 m x 1,850 m x 1,660 m
Radstand: 2,775 m
Wendekreis: N/A
Gepäckraum: 468 l
Frunk:
Leergewicht: N/A
Zuladung: N/A
Anhängelast (gebremst/ungebremst): 750 kg/750 kg
cW-Wert: 0,297
cW x A: N/A
PREIS
Verfügbarkeit: DE: Verkaufsstart im Sommer 2022, Reservierungen möglich
Deutschland: ab 59.990 €
Österreich: N/A
  1. Jörg sagt:

    40 Minuten Ladezeit ist zu viel

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