Erste Ausfahrt mit dem Hyundai Ioniq 5

02.07.2021 von Marcus Zacher

Hyundais Technikfeuerwerk

Mit einem Technikfeuerwerk soll der neue Ioniq 5 viele neue Kundinnen und Kunden von der koreanischen Marke überzeugen. Die technischen Daten lesen sich gut und das Design konnte ebenfalls bereits viele Vorbestellende überzeugen. Doch überzeugt die Technik auch auf der Straße? 

Um diese Frage beantworten zu können, waren wir mit dem Ioniq 5 unterwegs und haben uns sieben Technikhighlights genauer angeschaut:

1. Endlich Allrad

Klar, elektrische Allradantriebe gibt es schon lange in Elektroautos, doch bei Hyundai ging die potentielle Kundschaft bislang leer aus. Beim Ioniq 5 wird nun also auf Wunsch an beiden Achsen jeweils eine permanenterregte Synchronmaschine installiert. Neben der 173 kW starken Allradvariante mit kleiner Batterie (58 kWh) wird auch das Topmodell mit der 72,6 kWh großen Batterie mit den zwei Motoren angeboten. Mit dieser Version waren wir unterwegs.

Ioniq 5 125 kW Ioniq 5 173 kW Ioniq 5 160 kW Ioniq 5 225 kW
Batterie: 58 kWh 58 kWh 72,6 kWh 72,6 kWh
Antrieb: RWD AWD RWD AWD
Leistung: 125 kW 173 kW 160 kW 225 kW
Drehmoment: 350 Nm 605 Nm 350 Nm 605 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h: 8,5 s 6,1 s 7,4 s 5,2 s
Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h 185 km/h 185 km/h 185 km/h
Reichweite (WLTP, max.): 384 km 360 km 481 km 460 km
Preis DE: ab 41.900 € ab 45.700 € ab 45.100 € ab 48.900 €
Preis AT: ab 45.990 € ab 51.990 € ab 48.990 € ab 54.990 €

Mit 225 kW Leistung und einem satten Drehmoment von 605 Newtonmetern ist der Ioniq 5 weit mehr als ausreichend motorisiert. In nur 5,2 Sekunden soll das immerhin knapp 2,2 Tonnen schwere „CUV“ auf 100 sprinten können. Ohne nachgemessen zu haben, lässt der spontane Antritt an diesem Wert keine Zweifel aufkommen. Tatsächlich spricht vieles dafür, sich mit der hinterradangetriebenen Variante zufrieden zu geben, denn die 160 kW dieser Version dürften meist genügen und neben knapp 100 Kilogramm Gewicht spart man sich rund 4.000 Euro und erhält im Gegenzug einen größeren Frunk, einen niedrigeren Verbrauch und daraus resultierend eine bessere Reichweite.

Wer jedoch regelmäßig schwere Anhänger ziehen möchte, kommt an den Allradmodellen nicht vorbei, denn nur diese dürfen bis zu 1.600 Kilogramm an den Haken nehmen. Bei der Version mit Hinterradantrieb sind es nur 750 Kilogramm.

2. Rekuperation mal fünf

Der Ioniq 5 bietet gleich fünf verschiedene Rekuperationseinstellungen. Mit den Schaltwippen hinter dem Lenkrad kann die Schubreku von einem reinen Segelmodus (Level 0) bis zum Einpedalfahren (Level 3) in vier Stufen verstellt werden. Eine besonders starke Verzögerung erfährt man mit der Einstellung „i-Pedal“, die ähnlich wie beim e-Pedal des Nissan Leaf oder dem Einpedalmodus im Polestar 2 die Bremsen zur Hilfe nimmt, um auch bei vollem Akku eine starke Bremswirkung beim Lupfen des Fahrpedals zu bewirken. Die Schubreku in diesem Modus ist äußerst stark und bedarf einiger Eingewöhnung. Auf Streckenabschnitten, die viele Bremsmanöver erfordern, ist es jedoch eine deutliche Entlastung. Bei einer Tour über einen Bergpass war daher diese Reku-Einstellung bei der Bergabfahrt erste Wahl.

Nicht ganz stimmig ist dagegen die Abstimmung im Segelmodus Level 0. Betätigt man hier die Bremse, wird keine Energie in den Akku zurückgespeist. Laut Hyundai soll das dazu dienen, dass die Bremsscheiben von Zeit zu Zeit freigebremst werden und ansonsten über die E-Maschinen gebremst wird. Bei der Testfahrt ließ sich jedoch auch nach mehreren Versuchen zu unterschiedlichen Zeitpunkten keine Rekuperation in dieser Reku-Stufe erzielen. Hier verschenkt der Ioniq 5 Effizienz. Wer möchte, kann jedoch, wie auch die anderen E-Autos der Marke, durch Ziehen der Reku-Schwaltwippen bis zum Stillstand verzögern.

3. Head-up-Display mit Augmented Reality

Zum ersten Mal gibt es in einem Elektroauto der Marke ein richtiges Head-up-Display, das seine Infos in die Frontscheibe projiziert. Die Grafik hat eine ordentliche Größe und ist äußerst hell, allerdings wirkte sie bisweilen etwas unscharf. Eine nette Ergänzung ist die AR-Funktion (AR = Augmented Reality), bei der Vorausfahrende markiert werden, beim Verlassen der Fahrspur gewarnt wird oder Navigationspfeile angezeigt werden. Ganz konnte diese Funktion allerdings noch nicht überzeugen, da die AR-Grafiken etwas flach wirken und sich diese Infos auch ohne AR problemlos hätten darstellen lassen.

4. Großer Radstand – großer Innenraum

Drei Meter Radstand bei 4,64 Metern Außenlänge sind ein Wort. Das Ergebnis ist ein großzügiger, luftiger Innenraum, ein familientauglicher Kofferraum (527 bis 1.587 Liter) und reichlich Platz für die Beine auf allen Sitzplätzen.

Praktisch ist die vordere Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen, wo sich allerlei Kleinkram rutschsicher verstauen lässt. Auf dem Fahrersitz sitz man allerdings etwas hoch, die Kopffreiheit geht dennoch in Ordnung. Auch auf den Rücksitzen lässt es sich gut lümmeln. Diese können elektrisch verschoben und in der Neigung verstellt werden. Fährt man die Sitze zu Gunsten eines größeren Kofferraums nach vorne, entsteht allerdings ein Graben zwischen Kofferraum und geteilt umklappbarer Sitzbank.

Ein besonderes Feature stellt noch die Liegesitzeinstellung für die Vordersitze dar. Hier können die Rückenlehnen fast waagerecht umgeklappt werden und eine Unterschenkelauflage kann hochgeklappt werden. So richtig bequem liegt es sich hier zwar nicht, aber für einen kurzen Powernap mag es reichen.

Was gut für den Innenraum ist, ist für den Wendekreis allerdings Gift: Durch den riesigen Radstand muss man im Ioniq 5 deutlich mehr rangieren, als bei der Konkurrenz. Fast zwölf Meter misst der Wendekreis.

5. Schnellladung in 18 Minuten

Hyundai redet zwar von der 800-Volt-Technologie, doch tatsächlich liegt die Nennspannung (also die mittlere Spannung der Batterien) bei 523 Volt für die kleine und 653 Volt für die große Batterie. Man kann sich jedoch darauf einigen, dass diese Spannungslagen nicht mehr der 400-Volt-Klasse angehören (die ungefähr bei 500 Volt aufhört), sondern zur 800-Volt-Klasse gehören. Größere Batterien des Baukastens, wie beispielsweise die 77,4-kWh-Batterie im Schwestermodell Kia EV6 (Vorstellung), werden entsprechend noch etwas höhere Spannungen aufweisen.

800 Volt hin oder her, der Ioniq 5 soll in unter 20 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden können, was laut Hyundai durch Spitzenladeleistungen von 180 kW (kleine Batterie) bis 220 kW (große Batterie) ermöglicht werden soll. Testen konnten wir diese Angabe bei der Ausfahrt noch nicht.

Dafür hat sich Hyundai auch Gedanken gemacht, wie man ein E-Fahrzeug der 800-Volt-Spannungsklasse an einer 400-Volt-Ladesäule lädt, wozu beispielsweise die klassischen Triple-Charger gehören. Anders als etwa Porsche im Taycan (Cross Turismo im Fahrbericht), die dafür einen speziellen Ladebooster verbauen, nutzt Hyundai den Inverter und die Wicklungen der hinteren, permanenterregten Synchronmaschine, um die Spannung der Ladesäule auf das Batterieniveau hochzusetzen. Dadurch können Bauraum, Kosten und Gewicht eingespart werden.

6. Inselbetrieb per Vehicle-to-Load

Über einen speziellen Adapter für die Ladedose wird der Ioniq 5 zur mobilen Powerbank. Mit bis zu 3,6 kW können externe Geräte im Inselbetrieb versorgt oder geladen werden, theoretisch auch andere E-Fahrzeuge. Damit dem 5er dann nicht der Saft ausgeht, kann im Display eine Entladegrenze (Minimum 20 Prozent) eingestellt werden. Für die Hinterbänkler gibt es ebenfalls eine Steckdose für Laptop und Co. Diese gibt ebenso bis zu 3,6 kW Leistung ab.

7. Assistenzarmada

Der Ioniq 5 wartet auf Wunsch mit einer ganzen Assistenzarmada auf. Die Klassiker, wie den aktiven Spurhalteassistenten, den Abstandsregeltempomaten oder den Totwinkelwarner, kennt man so bereits aus anderen Modellen der Marke. Sie sind allesamt souverän abgestimmt, nerven hin und wieder mit grundlosen Warntönen.

Neu sind nun der selbstständige Spurwechsel, der durch Drücken des Blinkerhebels aktiviert wird, oder eine automatische Geschwindigkeitsübernahme. Eine Spurwechselkamera, die situativ im Fahrerdisplay eingeblendet wird, soll dabei helfen, den toten Winkel im Auge zu behalten.

Fazit nach der ersten Ausfahrt

Mit dem Ioniq 5 hat Hyundai endlich ein universell einsetzbares und familientaugliches Elektrofahrzeug im Programm. Er bietet viel Platz und zeigt sich technisch voll auf der Höhe der Zeit. In Sachen DC-Ladeleistung und –Ladezeit scheint er sogar so manchen Konkurrenten zu überflügeln.

Drei Punkte müssen dennoch bemängelt werden. Zum einen ist das die unharmonische Fahrwerksabstimmung, die weder sportlich noch komfortabel auftritt (zumindest in Verbindung mit den 20-Zoll-Rädern). Ebenfalls mehr hätten wir vom verschachtelten Infotainment erwartet, das zuweilen etwas langsam reagiert und gegenüber dem Hyundai Kona kaum an Nutzerfreundlichkeit hinzugewonnen hat. Als dritten Kritikpunkt müssen wir die nicht vollends überzeugende Qualität des Testwagens festhalten. Zwar geht die Materialauswahl absolut in Ordnung, doch häufiger knarzte und knisterte es im Gebälk. Hoffen wir, dass Hyundai das im Laufe der Produktion beheben kann – denn der Ioniq 5 hat das Potential zum Bestseller.

Text: Marcus Zacher / Fotos: M. Zacher

Technische Daten
Fahrzeugbezeichnung: Hyundai Ioniq 5 225 kW
Fahrzeugbeschreibung: fünftüriger, fünfsitziger Mittelklasse-Crossover
ANTRIEB
Bauart: je 1 permanenterregte Synchronmaschine an VA und HA
Leistung: 225 kW
Drehmoment: 605 Nm
BATTERIE & LADESTANDARD
Energieinhalt (brutto/netto): 72,6 kWh/72,6 kWh
Batteriegarantie: 8 Jahre oder 160.000 km
Wärmemanagement: Flüssig-Thermalmanagement
Ladestandard AC: Typ 2 11 kW 3p
Ladestandard DC: CCS 220 kW
Ladezeit AC 11-kW-Ladestation 0-100 %: 6 h 9 min
Ladezeit DC 50-kW-Ladestation 5-80 %: 57 min
Ladezeit DC 350-kW-Ladestation 10-80 %: 18 min
FAHRLEISTUNGEN
Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h): 5,2 s
REICHWEITE & VERBRAUCH
WLTP: 430–460 km
NEFZ: N/A
EPA: N/A
Verbrauch (WLTP): 19,0–17,7 kWh/100 km
ABMESSUNGEN & GEWICHT
Länge x Breite (ohne Spiegel) x Höhe: 4,635 m x 1,890 m x 1,605 m
Breite (mit Spiegel): 2,116 m
Radstand: 3,000 m
Gepäckraum: 527–1.587 l
Frunk: 27 l
Leergewicht: 2.175 kg
Anhängelast (gebremst/ungebremst): 1.600 kg/750 kg
cW-Wert: 0,288
cW x A: N/A
PREIS
Deutschland: ab 48.900 €
Österreich: ab 54.990 €

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