BMW i3: Nicht schneller, aber weiter

20.10.2016 von Michael Specht

Na bitte, es geht doch. BMW spendiert seinem i3 gut 50 Prozent mehr Reichweite, verlangt dafür aber auch einen Aufpreis von 1.200 Euro. Real soll der City-Stromer jetzt 200, nach Norm sogar 300 Kilometer schaffen. Doch für längst nicht jeden Kunden ist eine stärke Batterie sinnvoll.

In Sachen Reichweite mussten Elektroautos bislang viel Prügel einstecken, vorausgesetzt, sie heißen nicht Tesla. Die kalifornische Autofirma packt bis zu 90 kWh Batteriekapazität in ihr Model S. Damit ist es keine Kunst, 500 Kilometer weit zu stromern. In europäischen E-Fahrzeugen, egal ob VW Golf, Renault ZOE oder Mercedes B-Klasse, steckt rund viermal weniger Leistung als in der US-Limousine. Der Grund sind Einbaumaße, Gewicht und Kosten. Wer jetzt 500 durch vier teilt, weiß, warum unseren Elektroautos nach 120 bis 130 Kilometern der Saft ausgeht.

Davon ist auch der BMW i3 betroffen, trotz Hightech-Leichtbau mit Aluminium und Karbon, trotz vieler aerodynamischer Tricks und Dünnreifen. In seinem Heck stecken brutto 22 kWh, wovon knapp 19 kWh zum Fahren genutzt werden können. Wer sich Mühe gibt und den angegebenen Normverbrauch von 12,9 kW pro 100 Kilometer erreicht, kommt rechnerisch etwa 140 Kilometer weit. Mehr ist beim besten Willen nicht drin. Im Winter, wenn Akku und Insassen nach einer Heizung gieren, sinkt die Reichweite gar bis unter 100 Kilometer.

Für nicht wenige potenzielle E-Autokunden ist dies indiskutabel. Ein Kauf kommt für sie daher nicht infrage. Motto: Lieber abwarten, bis die Batterien besser werden. Jetzt tut sich was. Zweieinhalb Jahre nach Erscheinen des i3 werden die Lithium-Ionen-Zellen so verändert, dass sie 50 Prozent mehr leisten. Gewicht und Größe bleiben bestehen. Die Kapazität steigt auf 33 kWh. Nutzbar sind 27 kWh. Entsprechend länger wird die Reichweite, die BMW nun mit „real 200“ und nach NEFZ-Norm mit 300 Kilometern angibt (zuvor 190 Kilometer). Teurer wird der i3 damit auch: 36.150 Euro.

Wird der i3 damit alltagstauglicher? BMW behauptet ja, bietet aber weiterhin die Version mit der schwächeren Batterie an – für 1.200 Euro weniger. Wer mit dem i3 täglich nur seine gewohnten Strecken ins Büro, zum Einkaufen oder zum Sport fährt, und zwischen 30 und 60 Kilometer zurücklegt – was mehr als 80 Prozent aller Autofahrer tun – hat von der neuen Batterie keinen wirklichen Vorteil. Er muss innerhalb einer Woche nur ein- bis zweimal weniger laden.

Der Rest ist Psychologie. Der Blick auf die restliche Reichweite, die bei unserer ersten Testfahrt teils Werte von über 250 Kilometern anzeigte, erzeugt ein beruhigendes Gefühl. Reichweitenangst, neudeutsch „Range Anxiety“ genannt, ist damit Schnee von gestern.

Beachtet werden sollte bei der größeren Batterie allerdings die längere Ladedauer. Ohne die sogenannte Wallbox, also nur mit der normalen Haushaltssteckdose benötigt schon der normale i3 rund acht Stunden, bis der Akku wieder gefüllt ist. Bei der neuen 33-kWh-Version dürften es über zwölf Stunden werden, weil über die übliche 16-A-Sicherung nur mit einer Leistung von 2,7 kW pro Stunde geladen werden kann. Wer also abends spät nach Hause kommt und morgens wieder früh raus muss, fährt mit halbvollen Batterien los.

Eine fertig installierte Ladestation zu Hause wird mehr als 2.000 Euro kosten. Für den neuen i3 ist diese allerdings erst im Herbst verfügbar. Dafür schafft sie eine Leistung von 11 Kilowatt, was bei leerem Akku die Ladezeit auf rund drei Stunden reduziert.

Mit der Modellpflege hat BMW dem 94-Ah-i3 auch eine neue Farbe mit auf den Weg gegeben. Es ist das Protonic Blau Metallic des Hybrid-Sportwagens i8. Zudem gibt es für das Armaturenbrett jetzt ein dunkles Eichenholz. Ein auf den ersten Blick vielleicht lächerliches Detail hat es leider noch immer nicht in die Serie geschafft: die Lenkradheizung. In anderen BMW-Modellen gegen einen geringen Aufpreis zu haben, müssen sich i3-Fahrer im Winter weiterhin auf fröstelnde Finger einstellen. Der dünne Lenkradkranz kommt dann einem Ring aus Eis gleich. Zwar könnte man ihn mehr schlecht als recht mit der warmen Luft der Heizung anpusten, doch wäre dies äußerst ineffizient und ginge zulasten der Reichweite. Es ist insofern unverständlich, weil BMW gerade im i3 aus Effizienzgründen die Körperwärme vor die Innenraumwärme setzt. Mit eingeschalteter Sitzheizung lässt es sich wunderbar auch in kälterer Umgebung leben.

Geändert wurde leider auch das Standheizungsprinzip nicht. Hängt der i3 im Winter an einer normalen Steckdose und man möchte den Innenraum vorwärmen – das lässt sich sehr komfortabel mittels einer App auf dem Handy machen –, zieht sich die Heizung den Strom hierzu aus der Batterie und nicht aus dem Netz. Man fährt dann zwar vorgewärmt los, jedoch nicht mit einem vollen Akku. Die Vorkonditionierung funktioniert weiterhin nur mit der Wallbox.

Die imposante Beschleunigung des neuen i3 ändert sich durch die größere Batterie natürlich nicht. Jeder Tritt aufs Gaspedal wird umgehend mit einem mächtigen Kick nach vorne beantwortet, weil Elektromotoren prinzipiell ihr höchstes Drehmoment praktisch ab Stillstand abgeben. Besonders in der Stadt kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass es kein besseres Antriebsprinzip gibt. Leider muss es nur immer noch sehr teuer bezahlt werden. (Von Michael Specht/SP-X | Fotos: BMW)

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