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EAM 06/2024 - Dezember/Januar
Mercedes-Benz Trucks hat den batterieelektrischen Fernverkehrs-Lkw eActros 600 vorgestellt. Zuvor fuhr ein Prototyp mit einem Gesamtgewicht von 40 Tonnen über die Alpen. Ohne nachzuladen kam der Truck von Stuttgart bis nach Südtirol.
Auf einer der Hauptrouten des Lkw-Langstreckenverkehrs, den Brenner, sind Entwicklungsingenieure von Mercedes-Benz Trucks von Leinfelden-Echterdingen nach Bozen in Südtirol gefahren. Den rund 40 Tonnen schweren E-Truck steuerten die Entwickler von Stuttgart über den Albaufstieg am Aichelberg, Kufstein und die Brennerautobahn bis nach Bozen – insgesamt 530 Kilometer ohne Ladestopp!
Mit frisch geladenem Akku fuhren die Ingenieure auf der selben Strecke zurück – auch dieses mal ohne Zwischenladung. Etwa sieben Stunden waren die Stuttgarter auf Achse. Für die gesetzlich vorgeschriebene Pause nach viereinhalb Stunden hätte der Fahrer also (wie üblich) nur einen freien Parkplatz suchen müssen – eine Zwischenladung war ja nicht nötig. Damit wurde der Beweis erbracht, dass der Batterie-Truck über 1.000 Kilometer mit nur einem Ladestopp zurücklegen kann. Die Stuttgarter erklären das mit einer Kombination aus effizientem Antrieb, hoher Batteriekapazität und leistungsstarker Rekuperation.
Parallel zum Batterieantrieb entwickelt Daimler Truck allerdings auch den Wasserstoffantrieb weiter. Mit dem Prototyp des Mercedes-Benz GenH2 Truck mit Wasserstoff-Brennstoffzelle sind die Entwickler im September über 1.000 Kilometer ohne Nachbetankung gefahren (Bericht) – allerdings nicht über die Alpen. Um die getankte Energiedichte zu erhöhen, setzen die Schwaben auf tiefgekühlten, flüssigen Wasserstoff im Gegensatz zu der üblichen gasförmigen, unter Druck gespeicherten Variante. Allerdings wird der Aufbau der Infrastruktur für die Wasserstoff-Betankung zu einer großen Herausforderung für diese Antriebsvariante werden.
Aus dem im letzten Jahr vorgestellten Konzeptfahrzeug eActros LongHaul (Bericht) wird jetzt also der eActros 600. Die im LongHaul gezeigte Designsprache der Fahrerkabine hat es in die Serie geschafft. Auch die Antriebstechnik baut auf dem im letzten Jahr vorgestellten Konzeptfahrzeug auf. Drei Batteriepakete mit jeweils 207 kWh, also zusammen 621 kWh Kapazität (brutto) sorgen für die vorgestellte Reichweite.
Daimler Truck verwendet Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP), die für eine hohe Lebensdauer und hohe nutzbare Energie sorgen. Zum Aufladen wird der „Elektro-Summi“ serienmäßig einen CCS-Anschluss mit bis zu 400 kW Ladeleistung erhalten. Dazu kann eine Vorrüstung für den Megawatt-Charging-Standard (MCS) bestellt werden. Sobald die MCS-Technologie verfügbar und herstellerübergreifend standardisiert ist, soll sie für diese Modelle des eActros 600 leicht nachrüstbar sein. Ziel ist, dass sich die Batterien des eActros 600 in der Serie an einer Ladesäule mit etwa einem Megawatt Leistung in unter 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent aufladen lassen.
Für bis zu 44 Tonnen Gesamtgewicht haben die Ingenieure den neuen eActros konstruiert. Mit einem Standardauflieger wird der eActros 600 in der EU eine Nutzlast von etwa 22 Tonnen haben. Zwei unterschiedliche Nebenabtriebe werden für den eActros 600 bestellbar sein: Zum einen die elektrisch-mechanische Variante für hydraulische bzw. mechanische Arbeitsausrüstungen – wie etwa Kippsattel-, Schubboden- oder Siloauflieger –, aber auch ein elektrischer Gleich- oder Wechselstrom-Nebenabtrieb für Kühlkoffer oder Kühlauflieger. Mit einer Leistungsspanne von 22 bis 90 Kilowatt werden die bereits heute bewährten industriellen Schnittstellen-Standards auch weiterhin im eActros 600 verfügbar sein.
Die neue, auf 800 Volt ausgelegte E-Achse mit zwei E-Maschinen und Vier-Gang-Getriebe wird den 40-Tonner mit 400 Kilowatt Dauerleistung antreiben, in der Spitze sogar 600 Kilowatt. Im digitalen Cockpit lassen sich fünf verschiedene Rekuperationsstufen wählen, inklusive One-Pedal-Driving. Das schont die mechanischen Bremsen und reduziert damit die Betriebskosten.
Natürlich wird der E-Lkw mit den modernsten Sicherheitsassistenzsystemen ausgerüstet sein. Die insgesamt sechs verbauten Sensoren – vier Short-Range-Radare und ein Long-Range-Radar sowie die Multifunktionskamera in der Windschutzscheibe – decken einen Winkel von 270 Grad um das eigene Fahrzeug herum ab.
Genauso wie die konventionellen Diesel-Lkw sollen alle Komponenten des eActros 600 auf eine Laufleistung von 1,2 Millionen Kilometer in zehn Betriebsjahren ausgelegt sein. Zu welchem Preis die Schwaben den neuen Langstrecken-E-Lkw abgeben werden, haben sie noch nicht verraten, nur, dass der Anschaffungspreis etwa zwei- bis zweieinhalb Mal höher, als die bisherigen Diesel-Trucks sein wird.
Abhängig vom Strom- und Dieselpreis bzw. den Mautkosten, soll der eActros trotzdem in ungefähr fünf Jahren bzw. nach etwa 600.000 Kilometern profitabler als ein Diesel-Fernverkehrs-Lkw sein. Dadurch kann, zusammen mit der gezeigten Reichweite, der Batterieantrieb für manchen Logistiker eine Überlegung wert sein. In der Branche wird mit Zehntel-Cent gerechnet, wobei die geringeren Wartungs- und Betriebskosten des E-Antriebes den Ausschlag geben könnten.
Noch in diesem Jahr wird eActros 600 bestellbar sein, Ende 2024 die Serienfertigung starten. Ab dem Marktstart will der Hersteller neben der Sattelzugmaschine auch eine Pritschenfahrgestell-Variante anbieten.
Fotos: Daimler Truck
Quelle(n): Pressemitteilung von Daimler Truck vom 05.10.2023 und 10.10.2023
Technische Daten | Mercedes-Benz eActros 600 |
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Fahrzeugbeschreibung: | Schwerlast-Fernverkehr als Sattelzugmaschine oder Pritschenfahrgestell |
Antrieb: | zwei Elektromotoren an HA |
Dauerleistung: | 400 kW |
Spitzenleistung: | 600 kW |
Zellchemie: | Lithium-Eisenphosphat-Zelltechnologie (LFP) |
Spannungslage: | 800 V |
Energieinhalt (brutto): | 621 kWh |
Ladestandard DC: | CCS 400 kW und Vorbereitung für MCS 1 MW |
Ladezeit MCS 20-80 %: | < 30 min |
Reichweite: | ca. 500 km |
Gesamtgewicht: | bis zu 44 t |
Nutzlast: | bis zu 22 t |
Bestellstart: | Q4/2023 |
Geplanter Serienstart: | Q4/2024 |
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