Französische E-Volution

12.11.2016 von Redaktion Elektroautomobil

Nachhaltig, sauber, leise, zukunftsfähig. Für Renault sollte der Elektroantrieb schon vor einigen Jahren eine wichtige Säule im Unternehmen werden. Daraus wurde bislang nichts.

Rückblick: Im September 2010 kündigte die Marke in ziemlich großen Tönen ihre Elektromobilitäts-Offensive an. „Wir sind Ende 2011 der erste Hersteller mit einer kompletten Modellpalette an Elektrofahrzeugen am Markt“, sagte die Projektleiterin Béatrice Degand. Insgesamt vier Modelle wollten die Franzosen bis einschließlich 2012 auf die Straße bringen: einen Kleinwagen, ein Leichtkraftfahrzeug mit zwei Sitzplätzen, einen Kleinlieferwagen und eine Mittelklasselimousine. Sie hießen ZOE, TWIZY, KANGOO RAPID und FLUENCE, alle mit dem Zusatzkürzel Z.E., was für Zero Emission steht.

Vier Milliarden Euro lässt sich Renault seine Elektroaktivitäten kosten. Mit mehr als 60 Regierungen, Städten, Kommunen, Versorgern und Organisationen wurden Kooperationen geschlossen. Man wollte ganz vorne mitspielen bei der emissionsfreien Mobilität. „Bis 2020 soll jeder zehnte Renault mit einem Elektromotor vom Band rollen“, versprach Kerstin Künne vom Produktmarketing, was jährlich rund einer halben Million Elektromobilen entsprechen würde.

Und heute? Der FLUENCE wird seit Anfang 2013 nicht mehr für Deutschland produziert. Ein Grund für die Aufgabe nach nur einem Jahr Produktion war das Package. Der Kunde musste erhebliche Einschränkungen beim Kofferraumvolumen hinnehmen. Die Batterie stand aufrecht hinter der Rücksitzbank.

Den Anfang der Offensive macht dann im November 2011 der KANGOO RAPID, hauptsächlich gedacht für Gewerbe, Handwerker und Handel. Von ihm hat Renault bis heute knapp 23.000 Einheiten verkauft. Immerhin.

Im April 2012 schickten die Franzosen ihren TWIZY an den Start, eine kleine „Französische Revolution“ auf Rädern. Wer den TWIZY – der Name setzt sich zusammen aus Twin und easy – zum ersten Mal sieht, glaubt zunächst an ein Spaßmobil für die Strandpromenade oder an ein futuristisches Golf-Kart, weniger an ein ernstzunehmendes Mobilitätskonzept. Doch genau Letzteres hat der französische Autobauer im Sinn. Der TWIZY sollte der ultimative City-Flitzer werden, vor allem junge Stadtmenschen ansprechen, ein Fun-Objekt, cool und trendy. Dafür hatte Renault so ziemlich alles Herkömmliche über Bord geschmissen. „Unser Denkansatz war, wie transportieren wir zwei Personen umweltfreundlich auf minimaler Verkehrsfläche“, sagte damals der Technische Direktor Pierre-Henri Robert, bei Renault verantwortlich für die Elektroautos.

Heraus kam ein, ja, nicht Auto, nicht Scooter, nennen wir es mal „luftiges Elektrogefährt“, das mit 2,33 Metern kürzer ist als ein Smart, mit 1,24 Metern auch deutlich schmaler. Einen Bestwert markiert der Wendekreis von 6,40 Metern. Für den TWIZY ist keine Altstadt zu eng, kein Parkplatz zu kurz. Notfalls darf er sogar quer parken. Dann passen drei von ihm in eine normale Parklücke. Fahrer und Beifahrer sitzen im TWIZY nicht neben-, sondern wie auf einem Motorroller hintereinander. Türen, besser gesagt, halbe Türen gibt es gegen Aufpreis.

Der deutsche Gesetzgeber ordnet den TWIZY den sogenannten QUADs zu, vierrädrigen Leichtkraftwagen, die es auch als offene Variante mit Motorradlenker gibt. Im Bestfall wiegt der TWIZY ohne Batterie unter 350 Kilogramm. Dann gilt er behördlich als L6e, braucht lediglich das kleine Versicherungskennzeichen und darf von 16-jährigen Personen mit dem Führerschein S gefahren werden. Spaßbremse sind hier die nur fünf PS sowie die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h. Dennoch dürften besorgte Eltern aufatmen. Der Nachwuchs ist deutlich sicherer unterwegs als auf einem Motorroller. Der TWIZY verfügt über Airbag, Gurte und Kopfstützen. Seine stabile Rahmenstruktur ist crashgetestet.

Ab 18 Jahren und Führerschein B darf man sich in den TWIZY der Kategorie L7e setzen. Hier sorgen 18 PS und eine Spitze von 80 km/h für flottes Vorankommen. In beiden Versionen steckt der gleiche Akku und ermöglicht eine Reichweite von 120, beziehungsweise 100 Kilometern. Danach kann der TWIZY an einer normalen Haushaltssteckdose innerhalb von 3,5 Stunden wieder volltanken.
Der Erfolg des TWIZY hält sich bislang in Grenzen. Junge Leute finden es eher peinlich als trendy und man sieht das Gefährt hauptsächlich als „Lieferwagen“ für Pizza-Dienste umherstromern. Nur rund 17.000 TWIZY konnte Renault in vier Jahren absetzen.

Mit fast dreimal so vielen Einheiten – bislang knapp 48.000 – schaffte es der ZOE, seit Juni 2013 am Markt, zum erfolgreichsten Elektrofahrzeug von Renault zu werden. Nicht ohne Grund. Es gibt derzeit kein attraktiveres Angebot als den kleinen Viermeterwagen. Sein Design wirkt gefällig, aus manchem Winkel sogar ein wenig extravagant. Er bietet bis zu fünf Personen Platz und hat einen brauchbaren Kofferraum. Seine elektrische Reichweite gibt Renault mit 210 Kilometern an. In der Realität sind es rund 130 Kilometer. Serienmäßig fährt der ZOE mit Navigation, Touchscreen, Online-Zugang, Sprachsteuerung, Radio und Klimaautomatik. Das alles zu einem unschlagbaren Preis von aktuell 16.500 Euro, wenn man die Elektro-kaufprämie der Bundesregierung in Anspruch nimmt. Ein Sonderfall ist der ZOE auch bei der Batterie. Sie ist im Kaufpreis nicht enthalten, sondern muss geleast werden. Die monatliche Miete startet bei 49 Euro.
Dafür nimmt der Hersteller dem Kunden während der Vertragslaufzeit alle Batteriesorgen ab.

Neben Renault bietet unter den französischen Autoherstellern nur noch der PSA-Konzern, bestehend aus Citroën und Peugeot, dem Kunden Elektromobilität auf vier Rädern. Allerdings nicht mit wirklich eigenen Kreationen. Sowohl Peugeot als auch Citroën kooperieren mit Mitsubishi. Die Japaner entwickelten bereits Mitte des vergangenen Jahrzehnts den Kleinwagen i-MiEV, starteten den Verkauf des nur 3,48 Meter kurzen Viertürers 2009. Ein Jahr später wagte man den Sprung nach Europa. Der Mitsubishi i-MiEV gilt als erstes rein batteriebetriebenes Großserien-elektroauto der Welt. Peugeot bietet ihn als iOn, Citroën als C-Zero an. Bis auf einige kosmetische Retuschen sind praktisch alle drei City-Cars identisch.

Äußerst zuversichtlich, was die Verkaufsprognosen betraf, gab sich Peugeot. Schon 2012 wollte man jährlich 10.000 Einheiten absetzen. Die Realität hat den französischen Konzern mit Vollgas überholt. Im vergangenen Jahr fand der iOn in Deutschland lediglich 20 Kunden. Der C-Zero taucht in der Zulassungsstatistik gar nicht mehr auf. Dieses Jahr kommt Citroën mit dem E-Méhari auf den Markt. Das offene Freizeitgefährt entstand in Zusammenarbeit mit der französischen Firma Bolloré. Größere Stückzahlen sind nicht zu erwarten. 2019/20 will der PSA-Konzern dann zum richtigen E-Mobilitätsschlag ausholen und eigen konstruierte Elektroautos auf den Markt bringen. Die Kooperation mit Mitsubishi läuft aus. (Von Michael Specht | Fotos: Hersteller)

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