Fahrbericht: Hyundai Ioniq 5 N

04.08.2023 von Thomas Geiger

Porsche-Schreck mit 478 kW

Die sportliche Speerspitze des koreanischen Trios um Hyundai, Kia und Genesis wird künftig Hyundai mit dem Ioniq 5 N stellen dürfen. 478 Kilowatt machen den Crossover zum echten Porsche-Schreck.

Eigentlich dreht sich bei diesem Auto alles um die ultimative Dynamik. Doch wenn es um die mediale Begleitung geht, lässt sich Hyundai beim Ioniq 5 N Zeit, viel Zeit – und zieht die Premiere entsprechend in die Länge. Erst ein paar Einblicke in die Entwicklung im Eis, danach die erste Spritztour im Prototypen und jetzt dann endlich die Jungfernfahrt beim Festival of Speed in Goodwood – seit mehr als einem halben Jahr halten die Koreaner den Kraftmeier in den Schlagzeilen.

Für die Straße und die Rennstrecke

Doch das muss man verstehen. Schließlich ist das gedopte Designerstück das erste N-Modell mit Elektroantrieb und als solches viel konsequenter gemacht als alles, was AMG. & Co bislang an der Ladesäule zu bieten haben. Dazu will der Ioniq 5 N nicht weniger sein als das erste Elektroauto diesseits der Hypercars vom Schlage eines Rimac Nevera oder Pininfarina Battista, das tatsächlich auch für die Rennstrecke taugt und vor allem, das selbst eingefleischten Petrolheads Lust auf Elektromobilität macht. Deshalb ist die Bühne für die Premiere mit dem Festival of Speed natürlich mehr als passend gewählt.

Sportliche Crossover im Vergleich
Hyundai Ioniq 5 N Kia EV6 GT Tesla Model Y Perf.
Batterie (brutto/netto): 84 kWh/— 77,4 kWh/— 82 kWh/79 kWh
Reichweite (WLTP): N/A 424 km 514 km
Leistung: 478 kW 430 kW 393 kW
Drehmoment: N/A 740 Nm 660 Nm
Höchstgeschw.: 260 km/h 260 km/h 250 km/h
0–100 km/h: 3,4 s 3,5 s 3,7 s**
max. Ladeleistung: 350 kW 240 kW 250 kW
Preis DE: > 75.000 €* 72.990 € 63.668 €
Preis AT: > 75.000 €* 75.990 € 60.990 €
*geschätzt **mit 1-ft-Rollout

Und der Ioniq 5 N kann sich dort in seinem babyblauen Lack wahrlich gut sehen lassen – selbst wenn die Designmodifikationen bis auf Schweller und Spoiler und natürlich die 21 Zoll-Räder überschaubar sind. Dafür haben die Koreaner schließlich bei der Technik umso mehr nachgelegt: Statt bislang bestenfalls 239 leisten die beiden Motoren hier nun dank eines neuen, zweistufigen Wechselrichters zusammen bis zu 476 kW und stechen damit auch den EV6 GT der Schwestermarke Kia mit seinen 430 kW aus. Das reicht für einen Sprint von 0 auf 100 km/h in 3,4 Sekunden und mit Bleifuß sind bis zu 260 km/h drin. Im Serienmodell dagegen zieht die Elektronik schon bei 185 km/h den Stecker.

Ein E-Auto mit Verbrenner-Attitüden

Doch Fakten sind für Albert Biermann, ehemaliger Chefentwickler der Koreaner und heute weiterhin beratend tätig, bei diesem Auto ohnehin nur nebensächlich. Schließlich geht es ihm ums Fahren und ums Fühlen – und da bietet der elektrische N das ganz große Kino. Dafür hat die N-Truppe unter anderem einen überraschend authentischen Motorsound komponiert, der einen durch zehn Lautsprecher vom zu Ende gehenden Benzin-Zeitalter träumen lässt – zumindest, solange man nicht auf Albernheiten wie „Evolution“ oder „Supersonic“ wechselt. Dazu simuliert das N-Modell sogar ein achtstufiges Doppelkupplungsgetriebe – Drehzahlmesser, Schaltpaddel, Zugkraftunterbrechung, Schubbrabbeln und Begrenzer inklusive.

Damit gibt Hyundai dem Fahrer nicht nur das Gefühl für Geschwindigkeit und ein bisschen mehr Kontrolle über sein Auto zurück, sondern kitzeln die Koreaner so auch mehr Sinne, als die meisten anderen Stromer, weil es im Bauch plötzlich wieder kribbelt und sich am Trommelfell die feinen Härchen aufstellen. Selbst wenn sich weder die 2,5 Tonnen noch die hohe Sitzposition wegdiskutieren lassen, fühlt sich der Ioniq 5 damit mehr nach einem N-Modell an, als der hochbeinige Kona. Und dass er dabei ums Eck geht, wie ein Wiesel auf der Jagd, ist natürlich auch kein Schaden.

Spitzes Handling und zupackende Bremsen

Aber natürlich beschränkt sich das Bodybuilding nicht nur auf eine besonders kräftige Konfiguration des Antriebs, ein paar fingierte Finessen aus den Tiefen der Software und einer ausgesprochen straffen Fahrwerksabstimmung sowie einer messerscharfen Lenkung. Schließlich hat Hyundai viel dafür getan, dass sich das N-Modell tatsächlich auf der Rennstrecke behauptet – und dort mehr als nur eine Hotlap schafft. Deshalb hat der Ioniq 5 die größten Bremsen, die Hyundai je verbaut hat, die immer dann erbarmungslos zupacken, wenn die deutlich verstärkte Rekuperationsleistung von 0,6 statt 0,4 g nicht mehr ausreicht.

Es gibt eine besondere Kühlung für den auf 84 kWh aufgebohrten Akku, der sich nicht nur zum Laden mit bis zu 350 kW konditionieren lässt, sondern auch für besonders flotte Runden, und es gibt ein paar neue Fahrprogramme für schnelles Qualifying mit maximalem Tempo oder für Langstreckenrennen mit entsprechenden Leistungsreserven. Und selbst wenn in diesem Betrieb die Kraft um zehn Prozent zurückgenommen und das Tempo gedeckelt wir, schafft der Ioniq 5 damit noch 240 km/h und fährt so fast allen europäischen E-Modellen munter davon.

Basispreis? Sicherlich nicht unter 75.000 Euro

Natürlich wird all das auch seinen Preis haben. Doch das ist neben der Reichweite die zweite Zahl, die sich Biermann und seine Entwickler auch jetzt noch nicht entlocken lassen. Aber wenn schon der bislang teuerste Ioniq 5 mit rund 61.000 Euro in der Liste steht, dürfte der Sportler kaum unter 75.000 Euro zu haben sein. Zum Vergleich: Das Schwestermodell, der Kia EV6 GT, steht für rund 73.000 Euro (in Deutschland) bzw. 76.000 Euro (Österreich) in der Liste.

Das macht den Ioniq 5 N zwar nicht nur zu dem mit Abstand teuersten N-Modell in der Palette, sondern katapultiert ihn auch aus dem Kreis vieler Konkurrenten. Doch in einem Punkt soll der flotte Hyundai auf jeden Fall konkurrenzlos bleiben, verspricht Biermann: „Kein anderes Elektroauto wird so viel Emotionen pro Euro bieten wie dieses.“

Dumm nur, dass es noch ein wenig dauern wird, bis die Kunden diese Emotionen auch empfinden können. Denn sein Bummeltempo durch die Medien- und Marketing-Maschine behält der eilige Batterie-Bolide noch ein bisschen bei: In den Handel kommt er frühestens Anfang nächsten Jahres.

Fotos: Hyundai

Technische Daten Hyundai Ioniq 5 N
Fahrzeugbeschreibung: Mittelklasse-Crossover
Sitze/Türen: 5/5
ANTRIEB
Antriebsart: Allradantrieb
Leistung: 478 kW
Drehmoment: N/A
BATTERIE & LADESTANDARD
Energieinhalt (brutto/netto): 84 kWh/—
Ladestandard DC: CCS 350 kW
Ladezeit DC: 18 min (10–80 %)
FAHRLEISTUNGEN
Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
Beschleunigung (0–100 km/h): 3,4 s
REICHWEITE & VERBRAUCH
Reichweite (WLTP): N/A
ABMESSUNGEN & GEWICHT
Länge x Breite (exkl. Spiegel) x Höhe: 4,715 m x 1,940 m x 1,585 m
Radstand: 3,000 m
Leergewicht: ca. 2.500 kg
PREIS
Verfügbarkeit: Marktstart Q1/2024
Deutschland: > 75.000 €*
Österreich: > 75.000 €*
*geschätzt

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