Stühlerücken bei Audi

06.07.2023 von Robin Engelhardt

Warum Audi für Volkswagen die größte Challenge und Chance zugleich ist

Bei Audi läuft es derzeit nicht so richtig rund, nun musste auch der bisherige Vorstandsvorsitzende Markus Duesmann seinen Platz räumen. Wie Audi wieder zurück in die Spur gelangen kann, kommentiert EAM-Autor Robin Engelhardt.

Es ist mal wieder Stühlerücken bei Volkswagen angesagt, dieses Mal muss Audi-Chef Markus Duesmann gehen. Zu diesem Ritual gehört auch, dass viele Beobachter sich mit den wildesten Spekulationen zu möglichen Gründen überbieten. Mein Lieblings-Quatschargument: Duesmann hätte ZU VIEL auf Elektromobilität gesetzt.

Markus Duesmann
Gernot Döllner

Wirft man einen Blick auf Audis Produktpalette, muss das einfach falsch sein, denn wirklich groß ist das BEV-Portfolio nicht. Auch Aussagen zum Tempolimit oder autofreien Sonntagen bringen keinen CEO zu Fall – schon gar nicht viele Monate später. Und dass Audi noch nicht perfekt auf Elektro-Kurs ist, kann man Duesmann auch nur bedingt anlasten: Dieser war gerade mal drei Jahre an Bord, seine ersten Audi-Monate erlebte er im Lockdown, zwischendurch war er dann wegen Long-Covid Monate außer Gefecht – wirklich viel Zeit hatte er nicht.

Der eigentliche Grund, warum VW-Chef Oliver Blume nun Gernot Döllner auf den Audi-Chefsessel gesetzt hat, dürfte viel banaler sein: Döllner ist seit 30 Jahren bei Volkswagen, hat wie Blume Karriere bei Porsche gemacht und gilt als Vertrauter Blumes. Duesmanns inhaltliche Arbeit bei Audi dürfte bei der Entscheidung allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dass er in knapp drei Jahren mehr als 90.000 Audianer allesamt von der Elektromobilität überzeugt, hat wohl niemand seriös erwartet.

Wo ist Audis Platz?

Was uns zum eigentlichen Thema bringt, das ich hier kurz anreißen möchte: Audi ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Audi will in die Formel 1 und aus dem Verbrenner aussteigen. Audi will Premium und Masse zugleich sein. Die Positionierung der Marke ist nicht mal konzernintern klar: Im Feld kompakter, sportlicher Autos für junge Menschen konkurriert Audi mit der neu geschaffenen Marke Cupra, in der Mittelklasse seit jeher mit der VW-Kernmarke und bei den sportlichen Fahrzeugen mit Porsche.

Und während man eine schöne Konzeptstudie nach der anderen veröffentlicht, sieht es bei konkreten, eigenen BEV-Modellen mau aus: Aus dem eigenen Haus kommt nur der Q8 e-tron. Die Fahrzeuge auf MEB-Basis kommen von Volkswagen, der e-tron GT hingegen ist ein Porsche mit Audi-Logo.

Marke Anzahl BEV-Baureihen
Audi 3 (Q4 e-tron, Q8 e-tron, e-tron GT)
BMW 6 (iX1, iX3, i4, i5, i7, iX)
Mercedes-Benz 6 (EQA, EQB, EQE, EQE SUV, EQS, EQS SUV)
Tesla 4 (Model 3, Model Y, Model S, Model X)
(jeweils Kernmarke, Mercedes ohne Vans)

Audi ist innerlich zerrissen. Inhaltlich-technisch, aber auch auf Ebene der Mitarbeiter. VW, Seat/Cupra oder Škoda konnten von der Elektromobilität nur profitieren, denn bis auf wenige Ausnahmen waren ihre Verbrenner nie wirklich emotional. Ein kleiner Vierzylinder ist zwar vernünftig, sparsam und günstig, aber eben auch langweilig. Wegen des Sounds kauft den keiner, wegen seiner Leistung auch nicht.

Bei Audi ist das gänzlich anders: Audi baut faszinierende Verbrennungsmotoren, viele Autos wurden gerade deswegen gekauft. Der Allradantrieb Quattro war eine hohe Kunst. Beides wird durch die Elektromobilität gewissermaßen „entwertet“: Ein Elektromotor mit ähnlicher Leistung wird immer besser beschleunigen als ein Verbrenner und für einen Allradantrieb braucht man keine komplizierten mechanischen Verbindungen aller vier Räder mehr – man setzt einfach je einen E-Motor an Vorder- und Hinterachse.

Tesla konnte inzwischen Audi überholen
Marke Absatz Q1/23 BEV-Absatz Q1/23 Anteil BEV
Audi 415.684 34.584 8,3 %
BMW 517.957 55.979 10,8 %
Mercedes-Benz 503.483 51.639 10,3 %
Tesla 422.875 422.875 100 %
(nur Kernmarke)

Verständlich, dass bei Audi die Skepsis gegenüber Elektromobilität viel größer sein muss, als bei anderen VW-Töchtern. „Quattro“ ist kein Verkaufsargument mehr, Allrad kann jetzt jeder. Naheliegend, dass man sich das nicht „wegnehmen“ lassen möchte. Vielleicht ist Elektromobilität ja doch nicht der Weisheit letzter Schluss? Vielleicht setzt sich ja doch noch irgendwas anderes durch? Sicher denken viele bei Audi so. Aber die Entwicklungen bei Tesla, BYD oder Geely zeigen eben, dass das Antriebsrennen im Pkw längst entschieden ist. Im ersten Quartal dieses Jahres konnte Tesla bei den weltweiten Absätzen sogar an Audi vorbeiziehen. Die Batterie hat gewonnen – ob das den Audianern nun gefällt, oder nicht.

Viele Baustellen für Döllner

Die größte Challenge für Gernot Döllner wird es sein, jeden einzelnen Audi-Mitarbeiter, jede einzelne Audi-Mitarbeiterin, vollständig von der Elektromobilität zu überzeugen, Zweifel auszuräumen und Batteriezellen oder Software mit genau der gleichen Begeisterung verknüpfen, die ein röhrender V8 ausgelöst hat. Dafür muss er die vielen Inhaltlichen Brüche auflösen, wieder eine klare Markenidentität schaffen. Was ist Audi? Ein Unternehmen, das in die Formel 1 will, oder ein Unternehmen, das 2033 aus dem Verbrenner aussteigen möchte? Beides gleichzeitig kann man den Kunden nur schwer plausibel erklären – den Mitarbeitern sowieso.

Gelingen kann das, wenn Audi seine elektrischen Hoffnungsträger endlich auf die Straße bringt. An A6 und Q6 e-tron entscheidet sich die Zukunft der Marke. Wenn diese Modelle beim Preis, den Spezifikationen und der Qualität die Kunden überzeugt, wird es deutlich leichter, die Audi-Belegschaft für Elektromobilität zu begeistern.

Kurzum: Audi muss „Vorsprung durch Technik“ wieder im Produkt leben und nicht nur in schönen Konzeptfahrzeugen. Als vergleichsweise kleine und höherpreisige Marke ist Audi prädestiniert, Volkswagens Speerspitze der Elektromobilität zu werden. Dafür ist zu hoffen, dass man Gernot Döllner mehr Zeit gibt als Markus Duesmann. Denn in drei Jahren ist dieser fundamentale Umbau sicher noch nicht erledigt.

Fotos: Audi; Titelbild: C. Laszlo

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