So parken wir morgen

18.12.2016 von Redaktion Elektroautomobil

Einparken gehört zum Autofahreralltag, doch niemand sucht gerne einen Parkplatz; vom Manövrieren in die oft viel zu engen Lücken ganz zu schweigen. Das könnte einfacher gehen, findet man bei Bosch. Jede Autofahrt endet schließlich irgendwann und meistens in einem Parkplatz. Doch hier fangen die Probleme oft erst an: 40 Prozent aller Pkw-Unfälle mit Sachschaden gehen auf das Konto von Parkremplern. Zusammengerechnet verschwenden Autofahrer pro Jahr rund einen Tag für die Parkplatzsuche und das Manövrieren in die Lücke. „Hier muss sich was ändern“, sagt Bosch und hat über zweieinhalbtausend Ingenieure darauf angesetzt, sich Lösungen zu überlegen, wie das Parken zukünftig komfortabler vonstattengehen kann.

Die Überlegungen des Stuttgarter Zustellers fangen bei der Parkplatzsuche an. Rund zehn Minuten dauert es im Schnitt, bis eine passende Lücke gefunden ist; die Suche nach einem Abstellplatz macht circa ein Drittel des innerstädtischen Verkehrs aus. Das soll zukünftig dank „Community-based-Parking“ deutlich schneller gehen. Dafür sammeln Autos selbstständig Daten über freie Parkplätze, schicken sie an einen Server und der verteilt die Informationen weiter an die anderen Autofahrer. Die Technik dafür haben viele Autos schon an Bord, Bosch nutzt zur Parkplatzsuche nämlich die Ultraschallsensoren der Einparkhilfe, die in Deutschland inzwischen in rund zwei Drittel aller Neuwagen eingebaut wird.

Auch bei Geschwindigkeiten von über 50 km/h schaffen es die Sensoren, Lücken am Straßenrand zu entdecken. Der Computer im Rechenzentrum sammelt die Daten und gleicht sie ab; melden viele Autos immer wieder an der gleichen Stelle eine freie Lücke, handelt es sich dabei wahrscheinlich um eine Einfahrt oder Bushaltestelle. Wenn die Technik aber einen freien Parkplatz ausmacht, meldet sie ihn wieder zurück an die Autos, wo die Informationen – inklusive Auskunft über Länge und Breite – zum Beispiel im Navigationssystem hinterlegt werden und direkt angesteuert werden können. Über Parkplatzbelegungssensoren, wie sie schon heute in vielen Parkhäusern für Leitsysteme eingesetzt werden, können zudem weitere Stellplätze in Tiefgaragen, aber auch auf Großparkplätzen zu einer digitalen Parkplatzkarte ergänzt werden. Die Suche nach einem Parkplatz soll, wenn es nach Bosch geht, schon 2018 der Vergangenheit angehören.

Nicht der Kunde parkt und sucht sein Auto; das Fahrzeug fährt allein zu einem freien Parkplatz und kommt am Ende bequem wieder selbständig vorgefahren.

Für viele Fahrer kommt die eigentlich Hürde aber, wenn die Lücke erst gefunden ist. Zwar sind Parkpiepser, Parklenkassistenten und Rund-um-Kameras schon eine große Hilfe, doch gehören Kratzer und Dellen noch immer zum Alltag. Um das zu vermeiden, arbeitet Bosch an einem Manövrier-Notbremsassistenten, der das Auto anhält, wenn es brenzlig wird und man dem Poller verdächtig nahe kommt.

Richtig komfortabel wird das Parken aber erst, wenn das Auto von alleine in die Lücke rollt. Mehrere Hersteller bieten inzwischen Systeme, bei denen der Fahrer bis zum Parkplatz manövriert, aussteigt und dann von außen auf dem Handy oder einer Fernbedienung den Einparkvorgang startet – das Auto rollt dann von alleine in die von den Ultraschallsensoren vermessene Lücke. Bosch denkt noch einen Schritt weiter und plant, schon 2019 einen serienreifen Homezone-Parkassistenten anzubieten: Von einem definierten Startpunkt aus, zum Beispiel vor der Haustür, fährt das Fahrzeug dann einen bis zu 100 Meter entfernten Stellplatz alleine an, sei es unter einem Carport oder auch an einem festen Platz in einer Tiefgarage.

Damit der Wagen das kann, muss der Fahrer einmal die Strecke abfahren. Der Computer merkt sich den Weg und findet beziehungsweise fährt ihn zukünftig alleine – momentan muss der Fahrer dabei allerdings durchgängig einen Totmannknopf, zum Beispiel auf seinem Smartphone, drücken. Da bis zu zehn solcher Strecken gespeichert werden können, lässt sich etwa auch der Ausparkvorgang hinterlegen. Neue Hindernisse auf dem Weg, wie beispielsweise Mülltonnen, werden von den Sensoren erkannt und wenn möglich umfahren. Ein, zwei Meter kann die Technik von der gespeicherten Route abweichen, deswegen muss das Auto auch nicht immer exakt auf dem Startplatz abgestellt werden. Und die Automatik parkt auch dann gerade ein, wenn der Fahrer beim Lernvorgang etwas schief in der Lücke stand.

Eine ähnliche Technik wird es übrigens auch in Parkhäusern geben: Zukünftig soll es reichen, den Wagen an der Einfahrt abzustellen und das automatische Valet-Parken zu aktivieren. Dann rollt das Fahrzeug alleine durch das Parkhaus und schnappt sich den ersten freien Parkplatz; umgekehrt lässt sich das Auto rufen und kommt dann wieder zurück zum Übergabepunkt. Helfen muss dabei neben den Sensoren im Auto die Parkhaus-Infrastruktur, unter anderem braucht das Fahrzeug eine genaue Karte des Parkhauses. Erste Praxisversuche startet Bosch schon jetzt gemeinsam mit Car2Go in einem Stuttgarter Parkhaus. Allerdings bleiben noch einige Fragen offen: Man stelle sich nur einmal vor, die Philharmoniker spielen gerade den Schlussakkord und mehrere Hundert Besucher rufen per Smartphone ihr Auto zurück. Bis die Technik so weit verbreitet ist, dauert es aber sicher noch zehn Jahre „und bis dahin haben wir auch eine Lösung dafür gefunden“, ist man sich bei Bosch sicher. (Von Michael Gebhardt/SP-X)

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