Unterwegs im Toyota Mirai II

17.06.2021 von Marcus Zacher

Zukunft 2.0

Toyota ist der Hersteller, der (noch?) am stärksten an der Brennstoffzelle im Pkw festhält. Immerhin waren sie mit dem Mirai die ersten, die ein solches Fahrzeug in Serie produzierten. Mit dem Mirai II wurde die Brennstoffzellen-Limousine auf eine neue Plattform gestellt und nicht nur optisch umfangreich überarbeitet. Wir waren mit der zweiten Generation des Wasserstoff-Exoten unterwegs.

Endlich stand mal wieder ein Test eines Brennstoffzellen-Fahrzeugs auf dem Plan. Toyota lud zur Ausfahrt mit der zweiten Generation der Oberklasse-Limousine Mirai ein. Mirai, das ist japanisch und steht für „Zukunft“. Und wenn es nach Toyota geht, gehört zu dieser die Brennstoffzelle – auch, aber nicht nur im Pkw.

Die Diskussion, ob die Brennstoffzelle nun der optimale Energiespender für ein Elektro-Fahrzeug ist oder nicht, und wie es mit der Wasserstofferzeugung und –bereitstellung aussieht, wollen wir an dieser Stelle nicht führen, sondern uns auf das Fahrzeug an sich konzentrieren.

Jetzt mit Sportlichem Heckantrieb

Das Fahren mit dem Mirai ist nämlich zunächst einmal eine äußerst angenehme Angelegenheit. Es sitzt sich gut im Raumschiff-Cockpit mit seinen vielen Schaltern. Ein richtiges Head-up-Display zeigt zusätzlich zum Fahrerbildschirm die wesentlichen Infos an, die Sitze sind bequem gepolstert und die Rangierarbeit ist dank 360-Grad-Kamera ebenfalls ein Kinderspiel. Die Assistenzsysteme machen ihren Job ebenfalls gewissenhaft und halten Fahrspur, Abstand und Geschwindigkeit zuverlässig und automatisch ein, nur das Infotainment wirkt mit seiner mäßigen Auflösung und den einfachen Grafiken etwas altbacken.

Gegenüber dem Vorgänger hat der neue Mirai deutlich an Sportlichkeit und Komfort hinzugewonnen. Dank des Hinterradantriebs beschleunigt der Mirai trotz seiner auf dem Papier vergleichsweise geringen Leistung von 134 kW und dem Drehmoment von 300 Newtonmetern zügig aus Kurven und auch auf der Autobahn macht der Wasserstoff-Japaner bis zur Höchstgeschwindigkeit nicht schlapp. Diese wird mit 175 km/h angegeben, auf dem Tacho stehen dann 180 km/h.

Hier offenbart sich eine weitere Stärke: Die Geräuschdämmung (optional mit aktiver Geräuschunterdrückung) wurde gegenüber dem Vorgänger ebenfalls deutlich verbessert und die Insassen werden nun auch nicht mehr von den Arbeitsgeräuschen des Brennstoffzellensystems gestört. Zusammen mit dem langen Radstand und dem exzellenten Federungskomfort ergibt das eine adäquate Reiselimousine.

Neben den drei Fahrmodi (Eco, Comfort, Sport) kann man am kleinen Schalthebel noch den Break-Modus für eine erhöhte Rekuperation einstellen, doch merkt sich der Mirai diesen nur für einen Bremsvorgang. Jedes Mal in den B-Modus zu wechseln, ist etwas umständlich und so wird eben das Bremspedal benutzt, das selbstredend ebenfalls zunächst versucht, die Energie so gut es geht in die kleine Lithium-Ionen-Hybrid-Batterie (1,24 kWh) zurückzuspeisen.

Große Karosserie und schickes Design, aber…

Die fast fünf Meter lange und im zweiten Anlauf nun auch geschmacksicher gestylte Karosserie vergisst allerdings ein wenig, wozu man ein Auto normalerweise benötigt – nämlich zum Transport von Personen und Gegenständen. Raumökonomie stand im Lastenheft offenbar nicht an vorderster Stelle. Während man vorn kommod untergebracht ist, der massive Mitteltunnel jedoch Beinfreiheit frisst, sitzt man in der zweiten Reihe nicht besser als in einem Kompaktfahrzeug. Ja, die Ledersitze sind auf allen Plätzen gut gepolstert, doch mangelt es hinten an Bein- und noch mehr an Kopffreiheit. Für ein Fahrzeug dieser Klasse ist das enttäuschend. Auch der Kofferraum schluckt mit 321 Litern kaum mehr als der eines Opel Corsas. Und während man im Opel dank umklappbarer Sitze auch mal beim Baumarkt und Möbelhaus halten kann und auch Ski und anderes Sportgerät problemlos eingeladen werden können, muss sich die Mirai-Kundschaft für diese Anwendungsfälle nach einer Alternative umschauen.

Darauf angesprochen verweist Toyota auf den Platzbedarf der Tanks (in Summe 5,6 kg Fassungsvermögen bei 700 bar). Der Größte befindet sich längs im Mitteltunnel, ein zweiter, kleinerer quer unterhalb der Sitzbank und der dritte und kleinste Tank findet unterm Kofferraum seinen Platz. Die für jedes Brennstoffzellen-Fahrzeug obligatorische Pufferbatterie wurde quer hinter die Fondsitze montiert, was den kleinen Kofferraum und die fehlende Umklappmöglichkeit erklärt.

Und wie weit kommt der?

Am Ende der vergleichsweise kurzen Testrunde mit gemischten Profil (Autobahn inkl. kurzer Vollgas-Fahrt, Landstraße, Stadt) zeigt die Verbrauchsanzeige einen Wert von 1,3 kg/100 km an. In Verbindung mit dem 5,6 kg fassenden Tank ergibt das eine rechnerische Reichweite von 430 Kilometern. Bei voller Tankanzeige wurden zu Beginn der Fahrt 380 Kilometer angezeigt. Die Wahrheit dürfte also irgendwo dazwischen liegen, bei etwas sparsamerer Fahrweise dürften auch niedrigere Verbräuche möglich sein.

So oder so, eine Revolution ist das nicht. Einige BEVs stoßen bei den Praxisreichweiten bereits in diese Regionen vor und der Hyundai Nexo (Test in EAM 01/2020) kam mit realen Reichweiten um die 560 Kilometern ein gutes Stück weiter. Natürlich handelt es sich hier nur um eine erste Hausnummer, exakte und vergleichbare Daten können nur bei einem späteren Test auf unseren standardisierten Verbrauchsrunden ermittelt werden.

Fazit: Komfortable Reise-Limo, aber keine Revolution

Dass die Betankungsvorgänge theoretisch in fünf Minuten absolviert werden können, kann aufgrund der weiterhin geringen Tankstellenanzahl kaum als Vorteil verbucht werden, auf den Toyota gerne verweist. So bleibt unterm Strich eine repräsentative, komfortable und gut ausgestattete Reiselimousine mit akzeptabler Reichweite zu Kosten einer ausladenden Karosserie mit wenig Platz und einem praxisuntauglichem Kofferraum. Ob das reicht, um sich gegen die immer besser werdenden Batterie-Stromer durchzusetzen, darf angesichts der im Vergleich zum Wasserstofftankstellennetz rasant wachsenden (Schnell-)Ladeinfrastruktur bezweifelt werden. Doch einerseits ist der Mirai in Deutschland und Österreich regulär bestellbar und zu fairen Preisen ab rund 60.000 Euro erhältlich – und damit auch förderfähig. Und anderseits kann man den Mirai nun nicht nur trotz, sondern auch wegen seiner Optik kaufen.

Text: Marcus Zacher / Fotos: Toyota, M. Zacher

Technische Daten
Fahrzeugbezeichnung: Toyota Mirai II
Fahrzeugbeschreibung: viertürige, fünfsitzige Oberklasse-Limousine
ANTRIEB
Bauart: 1 permanenterregte Synchronmaschine an der HA, Hinterradantrieb
Leistung: 134 kW
Drehmoment: 300 Nm
BATTERIE & BRENNSTOFFZELLE
Energieinhalt (brutto/netto): 1,24 kWh/-
Brennstoffzellentyp: Fest-Polymer-Elektrolyt-Brennstoffzelle, 330 Zellen
Leistung Brennstoffzelle: 128 kW
Tankgröße: 5,6 kg bei 700 bar
Garantie Brennstoffzellen-System: 5 Jahre oder 100.000 km
FAHRLEISTUNGEN
Höchstgeschwindigkeit: 175 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h): 9,2 s
REICHWEITE & VERBRAUCH
WLTP: 650 km
NEFZ: N/A
EPA: 647 km
Verbrauch (WLTP): 0,89–0,79 kg/100km
ABMESSUNGEN & GEWICHT
Länge x Breite (ohne Spiegel) x Höhe: 4,975 m x 1,885 m x 1,470 m
Breite (mit Spiegel): N/A
Radstand: 2,920 m
Gepäckraum: 321 l
Frunk:
Leergewicht: 1.900 kg
Anhängelast (gebremst/ungebremst):
cW-Wert: 0,29
cW x A: N/A
PREIS & VERFÜGBARKEIT
Deutschland: 63.900 €
Österreich: 59.900 €

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