Erste Fahrt im neuen Mercedes CLA

06.11.2024 von Thomas Geiger

Unterwegs im elektrischen Hoffnungsträger

Im kommenden Jahr debütiert die neue Generation des Mercedes CLA auf der neuen MMA-Plattform. Er soll mit hoher Effizienz, schnellem Laden und enormer Reichweite beweisen, dass Mercedes auch unter den Elektroautos zum Besten gehört. Ob der neue Benz das Potential dazu hat, konnten wir bei einer ersten Mitfahrt bei Mercedes-Chef Ola Källenius im noch stark getarnten Prototypen auf dem werkseigenen Testgelände in Immendingen in Erfahrung bringen.

Absatzflaute, Gewinneinbruch, drohende CO2-Strafen, das Desaster in China, die Unwägbarkeiten in den USA und das ewige Geflacker bei der Elektromobilität – viele angenehme Themen stehen gerade nicht in Ola Källenius Kalender. Doch heute hat der Mercedes-Chef trotzdem ein Lachen im Gesicht und anders als bei diesen „gute Miene zum bösen Spiel“-Statements auf Messen und Konferenzen wirkt es diesmal sogar halbwegs echt. Denn erstens ist Sindelfingen und damit der ganze Ärger zwei Stunden und ein großes Funkloch entfernt. Und zweitens sitzt Källenius hier auf dem Testgelände am Steuer eines neuen Modells, mit dem bald alles wieder besser werden soll. „Willkommen im nächsten CLA“, sagt der Vorstand und bittet ein halbes Jahr vor der Weltpremiere zur ersten Mitfahrt im Prototypen der vielleicht wichtigsten Mercedes-Neuheit dieser Dekade.

Bildergalerien:

Endlich wieder „das Beste“ bieten

Nachdem Mercedes den Start in die Elektromobilität mit dem EQC gehörig verstolpert und danach weder mit den kompakten EQ-Modellen noch mit der elektrischen Oberklasse rund um den EQS so richtig Anschluss gefunden hat, will sich der Erfinder des Autos auf dem Weg in dessen Zukunft nicht mehr länger von Tesla & Co. die Show stehlen lassen und setzt deshalb mit dem CLA zum Gegenschlag an.

Das werde mit Abstand das Beste, was es in dieser Klasse zu kaufen gibt, sagt der vorübergehend zum Chauffeur degradierte Konzernchef und schwärmt voller Stolz von der knapp 4,80 Meter lange Coupé-Limousine, die alles mindestens so gut oder gar noch besser macht als die Studie „Concept CLA Class“, die er uns vor einem Jahr auf der IAA in München gezeigt hat: Es bleibt also bei rund 750 Kilometern Reichweite, bei einem Verbrauch von 12 kWh/100 Kilometern und dank 800 Volt-Technik bei einer Ladeleistung von 400 Kilometern in 15 Minuten, stellt Källenius in Aussicht und schiebt noch ein verheißungsvolles „mindestens“ hinterher.

Auf Effizienz getrimmt

Dafür haben sein Chefingenieur Axel Heix und dessen Team mit schier religiösem Eifer um jedes Gramm beim Gewicht, jede vierte Nachkommastelle beim cW-Wert und jedes Milliwatt Energieverbrauch bis in die Chips des Infotainments gerungen. Dazu haben sie außerdem einen neuen Baukasten zusammengestellt, der als MMA (Mercedes Modular Architecture) zum Fundament für die elektrische Zukunft des Unternehmens werden soll: „Eigene Batterien, eigene Motoren, eigene Elektronik und zum ersten Mal keine Kompromisse mehr für den Verbrenner“, umreißt Heix das Prinzip, das im CLA ganz nebenbei auch den ersten Mercedes-Frunk und obendrein halbwegs vernünftige Platzverhältnisse bringt.

So könnte der Zeitplan für die Vorstellung der neuen MMA-Modelle aussehen:
  • Mercedes CLA: Mitte 2025
  • Mercedes GLA (Nachfolger EQA): erstes Halbjahr 2026
  • Mercedes GLB (Nachfolger EQB): zweites Halbjahr 2026
  • Mercedes CLA Shooting Brake: 2027

Ja, es ist natürlich noch immer Luft nach oben, sonst bräuchte es ja keine C-Klasse. Doch wo in der aktuellen Generation schon Schulkinder die Knie an die Ohren ziehen müssen, können im Fond des Prototypen zwei größere Personen ganz ordentlich sitzen, wenn sie sich erst einmal durch die engen Türen gefädelt haben. „Und das ist ja nur der Gruß aus der Küche“, sagt Källenius und referiert das große Menü, das uns als ersten Gang den elektrischen GLA bringt, danach einen GLB und zum Dessert als ersten elektrischen Mercedes-Kombi einen CLA Shooting Break.

Der CLA bekommt Hinterradantrieb, die AMGs Allrad

Doch der CLA steht nicht nur für eine neue Effizienz, die augenscheinlich nicht zu Lasten des Fahrspaßes geht. Denn mit spitzen Fingen und schwerem Fuß zirkelt Källenius den Prototypen über den Immendinger Hochgeschwindigkeitskurs, auf dem ein paar Kollegen gerade mit dem AMG One spielen. Ohne über Zahlen zu sprechen, wird da schnell deutlich, dass es bald vorbei ist mit der freiwilligen Selbstbeschränkung auf 160 km/h in diesem Segment und dann endlich auch mit dem leidigen Frontantrieb. Die Standardversionen fahren mit Heckantrieb und der AMG, bei dem Källenius vorfreudig mit der Zunge schnalzt, fährt dann auf allen vieren.

Darüber hinaus steht der CLA steht für die Neudefinition des Einstiegsmodells. Nachdem Mercedes zuletzt arg für seinen Luxuskurs gescholten wurde, muss Källenius damit zeigen, was er für bezahlbaren Luxus hält und wie er den Nachwuchs an die Marke heranführen will. Und das ist augenscheinlich deutlich mehr, als man in den aktuellen Modellen der Kompaktfamilie erwarten darf.

Edler Innenraum und verbesserte Fahrassistenten

Dazu bekommt der CLA wie in der Studie einen Bildschirm über die gesamte Fahrzeugbreite, auf dem analog zur E-Klasse ein nochmals weiterentwickeltes Infotainment mit Google-Navigation, ChatGPT-Dialog und stetig wachsendem App-Store läuft. Dazu werden die neuen Einstiegsmodelle ein neues Level an automatisiertem Fahren erreichen, bei dem die Hände bis zur Zieladresse in der Stadt im Schoß bleiben dürfen. Und vor allem werden sie so viel „Jewelery“ bieten, wie man es von einem Mercedes zurecht erwarten darf, sagt Källenius und wenn er dabei kurz die Tarnmatten im Cockpit lüftet, sieht man es darunter schillern und funkeln. Die Zeiten karger Kunststofflandschaften wie in den vom Controlling stetig entfeinerten Modellen der aktuellen Kompaktfamilie sind damit, so die Botschaft des Vorstands, vorbei.

Und trotzdem soll der CLA – nun ja – erreichbar bleiben. Zwar kann und will Källenius Rivalen wie Tesla nicht über den Preis schlagen, keine ruinösen Rabatte geben und den Gebrauchtwagenwert ruinieren. Und Volkswagen kommen schließlich, wenn überhaupt, dann aus Niedersachsen statt aus dem Schwabenland. „Doch wir werden uns preislich sicher nicht aus dem Segment katapultieren,“ übt er sich im Beschwichtigen, was uns zu einer Schätzung irgendwo in der zweiten Hälfte der 50 000er führt.

Fotos: Mercedes-Benz

Update (19.11.2024): Aktualisierung der technischen Daten

Die technischen Daten wurden mit neuen Informationen aktualisiert.

Mercedes-Benz CLA (2025)
Antriebsart: Hinterrad- oder Allradantrieb
Leistung: 200 kW (RWD)/280 kW (AWD)
Spannungsklasse: 800 V
Energieinhalt Batt. (netto): 58–85 kWh
Höchstgeschwindigkeit: max. 210 km/h
Länge: ca. 4,80 m
AC-Ladeleistung: 11–22 kW
DC-Ladeleistung: max. 320 kW
Rekuperationsleistung: max. 200 kW
Reichweite (WLTP): > 750 km
Verbrauch (WLTP): ca. 12 kWh/100 km
Verfügbarkeit: Vorstellung: Q2/2025, Bestellstart: Q3/2025
Preis: ab ca. 55.000 Euro (geschätzt)
  1. Erwin Nüsser sagt:

    Klingt schon mal gut das es bald ein Reichweitenstarkes E-Fahrzeug zu einem Konkurrenzfähigem Preis geben soll. Die Frage ist ob es wirklich so kommt wie es beschrieben wird. Preislich finde ich eure Schätzung sehr Optimistisch. Es wäre aber schön für alle wenn es tatsächlich so kommen würde. Dann könnte ich mir sogar Vorstellen mir einen Benz zu kaufen.

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