Langsame Elektroautos?

06.08.2021 von Marcus Zacher

Sind E-Autos wirklich langsamer als Verbrenner?

Beim Durchstöbern der technischen Daten eines Elektroautos fällt nicht nur passionierten Autoquartett-Spielern auf, dass die Höchstgeschwindigkeit der meisten E-Mobile zum Teil deutlich unter denen vergleichbarer Verbrenner liegt. Sind Elektroautos also per se langsamer als Autos mit Verbrennungsmotor?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir zunächst über den Fahrwiderstand sprechen. Dieser setzt sich aus drei wesentlichen Komponenten zusammen: Dem Rollwiderstand, dem Luftwiderstand und dem Steigungswiderstand. Die Höchstgeschwindigkeit eines Autos wird üblicherweise in der Ebene bestimmt, weshalb der Steigungswiderstand wegfällt.

Bleiben Luft- und Rollwiderstand. Der Rollwiderstand ist nahezu unabhängig von der Fahrgeschwindigkeit, hat aber natürlich Einfluss auf die benötigte Antriebskraft eines Fahrzeugs. Je höher der Rollwiderstand ist, desto mehr Leistung muss das Fahrzeug aufbringen, um diesen zu überwinden. Den größten Einfluss auf die Höchstgeschwindigkeit hat jedoch der Luftwiderstand. Dieser steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit an. Bei 200 km/h muss vier Mal so viel Kraft aufgebracht werden, um den Luftwiderstand zu überwinden, wie bei 100 km/h.

Für die Berechnung der erforderlichen Antriebsleistung müssen die beiden wesentlichen Fahrwiderstände (Roll- und Luftwiderstand) noch einmal mit der Geschwindigkeit multipliziert werden, was eine kubische Geschwindigkeitsabhängigkeit zur Folge hat. Anders ausgedrückt: Um die doppelte Geschwindigkeit zu fahren, verachtfacht sich die benötigte Antriebsleistung. Logisch, dass dies einen enormen Einfluss auf den Verbrauch des Fahrzeugs hat.

Ein (vereinfachtes) Beispiel

Für eine Fahrt mit 100 km/h benötigt ein Auto ungefähr 12 kW Antriebsleistung. Fährt man eine Stunde mit dieser Geschwindigkeit, hat man 100 km zurückgelegt und 12 kWh verbraucht. Möchte man die gleiche Strecke doppelt so schnell zurücklegen, muss man diese mit 200 km/h durchfahren. Die benötigte Antriebsleistung verachtfacht sich, der Motor muss 96 kW abgeben. Da man für diese 100 km nur noch eine halbe anstatt einer Stunde braucht, liegt der Verbrauch auf dieser Strecke bei 48 kWh. So viel zur Theorie.

In der Praxis gibt es mehrere Gründe, warum Elektroautos tendenziell eine geringere Höchstgeschwindigkeit haben als Autos mit Verbrennungsmotor. Auch wenn beispielsweise sämtliche Tesla-Modelle Höchstgeschwindigkeiten aufweisen, die denen eines vergleichbaren Autos mit Verbrennungsmotor ebenbürtig sind, liegt der Unterschied in der Dauer, mit der man mit einer hohen Geschwindigkeit unterwegs sein kann.

Verbrenner mit „Riesen-Akku“

Autos mit Verbrennungsmotor haben den Vorteil, dass Sie über einen Energiespeicher verfügen, der eine extrem hohe Energiemenge speichern kann. Als Faustregel gilt: 1 Liter Benzin oder Diesel entspricht ungefähr 10 kWh. Bei einem 60 Liter Tank transportiert ein Verbrenner also ca. 600 kWh. Bei einem Wirkungsgrad von gut 30 Prozent kommen von den 600 kWh Energie immer noch rund 200 kWh am Rad an. Das würde also ungefähr einem Elektroauto mit 200-kWh-Akku entsprechen. Bei dieser enormen Energiemenge ist es kein Problem, längere Strecken mit hohen Geschwindigkeiten zurückzulegen, ohne, dass die Reichweite auf unter 300 oder 400 km fällt. Unterstützend kommt hinzu, dass Verbrennungsmotoren bei höheren Lastanforderungen (nicht Vollgas) eher einen besseren Wirkungsgrad aufweisen, als bei besonders niedrigen Lasten. Das sieht beim Elektroauto anders aus.

Ohne Kühlung geht nichts

Die Höchstgeschwindigkeit eines Elektroautos kann beispielsweise durch die Erwärmung der Batterie und des Elektromotors beschränkt sein. Grundsätzlich arbeiten beide Komponenten mit einer extrem hohen Wirkungsgrad von über 90 Prozent. In einem hohen Lastbereich, wie er beispielsweise bei einer Vollgasfahrt auftritt, kann der Wirkungsgrad des Elektromotors aber unter die 90 Prozent fallen. Für eine möglichst hohe Alltagsreichweite ist es nicht sinnvoll ist, den idealen Betriebspunkt auf die selten genutzte Höchstgeschwindigkeit auszulegen, wenn man nur in einem Land der Welt diese auch legal ausnutzen kann. Eine in diesem Fall hohe Leistungsanforderung trifft dann auf einen sinkenden Wirkungsgrad des Elektromotors. Das Verhältnis aus Nutzenergie zu „Abfall“-Energie sinkt, was sich in einer Erwärmung des Elektromotors widerspiegelt. Wird der E-Motor zu heiß, muss er heruntergeregelt werden, die Geschwindigkeit kann nicht mehr gehalten werden. Ein aufwendiges Thermomanagement, wie beispielsweise im Audi e-tron, kann dies verhindern, kostet allerdings Geld und ist für alltägliche Lastanforderungen gegebenenfalls überdimensioniert.

Beim Verbrenner sind Energiewandler (Verbrennungsmotor) und Energiespeicher (Tank) praktisch entkoppelt, beim Elektroauto nicht. Der Energiespeicher, die Batterie, kann immer nur eine begrenzte Leistung zur Verfügung stellen, die von verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise der Temperatur, dem Lade- oder dem Alterungszustand, abhängig ist.

Die Batterie als Nadelöhr

Wie auch beim Elektromotor kann die Batterie bei hohen Lastanforderungen wärmer und wärmer werden, wenn das Thermomanagement es nicht mehr schafft, diese ausreichend zu kühlen. Bei hohen Temperaturen muss die abgerufene Leistung reduziert werden, um die Zellen zu schützen.

Durch den abnehmenden Ladezustand wird die Leistungsfähigkeit der Batterie ebenfalls reduziert. Beide Fälle können letztlich zu einer Verringerung der Höchstgeschwindigkeit führen. Um über einen breiten Bereich des Ladezustands der Batterie eine konstante Höchstgeschwindigkeit des Autos zu ermöglichen, kann es also sinnvoll sein, diese bei einem bestimmten Wert zu begrenzen, also abzuschneiden.

Die aufgrund des stark ansteigenden Energieverbrauchs reduzierte Reichweite ist bei den meisten Elektroautos allerdings der Hauptgrund, auf eine hohe Endgeschwindigkeit zu verzichten. Bei Fahrzeugen mit vergleichsweise großen Batterien (z. B. Tesla Model S, Porsche Taycan, Audi e-tron) ändert sich das inzwischen. Diese können im Autoquartett durchaus mit vergleichbaren Verbrennern mithalten.

Fazit

Elektroautos sind nicht unbedingt langsamer als Autos mit Verbrennungsmotor. Wird das Elektroauto auf die entsprechenden Geschwindigkeiten ausgelegt, kann es genauso schnell sein. Allerdings addieren sich zu den bereits vorhandenen hohen Kosten für die Batterie dann die Kosten für ein aufwendiges Thermomanagement. Fokussiert man sich zu stark auf die hohe Endgeschwindigkeit, führt dies zu Kompromissen bei der Auslegung auf maximale Effizienz, was eine Verringerung der Reichweite zur Folge hat.

Aus diesem Grund wird die Höchstgeschwindigkeit der Effizienz zu liebe limitiert. Schließlich ist die bei Vollgas (oder besser Vollstrom) stark sinkende Reichweite der Hauptgrund, warum Elektroautofahrer selten von der Höchstgeschwindigkeit Gebrauch machen. Das Fahren mit einer geringeren Geschwindigkeit schont schließlich nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel. Entspannter und sicherer ist es sowieso. Autoquartett hin oder her.

Fotos: Hersteller, C. Laszlo, S. Quinker

Der Artikel erschien in seiner ursprünglichen Fassung in EAM-Ausgabe 02/2020.

  1. Jürgen Zimmermann sagt:

    Ihr Fazit ist nicht ganz schlüssig, e-Autos verursachen doch keine Emissionen, also geht es nur um den Geldbeutel. Der zweite, nicht genannte Grund ist wohl die Möglichkeit mit einem 100.000 Euro Fortbewegungsmittel mehr als 300 km zu schaffen.

    1. Michael S sagt:

      Keine Emissionen stimmt nicht so ganz…..in der Herstellung der Batterien wird zwar auf einen geschlossenen Kreislauf geachtet, ganz von ihhbaba ist es aber nicht. Wird die Batterie mittels NMP beschichtet (Lösemittel im Auftragsprozess) hat man eine Erbgutschädigende Substanz. Die Fehlermessung erfolgt mittels Strahlern – ergo, wenn der Shutter der Anlage offen ist, tritt einfach mal Strahlung aus🤷‍♂️. Ich will jetzt nicht die E Mobility schlecht reden – nein, ich finde sie sogar ganz gut, weil, wie Mann liest, lebe ich ja davon. Man sollte sich aber bewusst sein, das man den Planeten mit anderen Emissionen verdreckt. Ich sehe die E Mobility als erstes in den Städten als Pflicht. Für mich ist es aber traurig, wenn Städte wie Mannheim, wo einer der besten E Busse gebaut werden, seine Flotte noch nicht konsequent umgestellt hat.

Schreiben Sie einen Kommentar zu Jürgen Zimmermann Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Podcast

Diagnose von HV-Batterien

Infrastruktur / Podcast

Zum Abo

Die aktuelle Ausgabe!

Die aktuelle Ausgabe!

EAM 02/2024 - April/Mai

EAM-Newsfeed

Follow @elektroautomobil
Social Media Inhalte laden
2 Klicks für mehr Datenschutz: Erst wenn Sie hier klicken, wird eine Verbindung zu den Social Media Plattformen Twitter, Facebook und Instagram hergestellt und Inhalte in die Website geladen. Beim Laden der Inhalte werden Informationen, wie Ihre IP-Adresse, von Ihrem Browser direkt an einen Server von Facebook/Twitter/Instagram in die USA übermittelt und dort gespeichert.
Weitere Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung Social Media Inhalte laden

Das könnte Sie auch interessieren