Fahrbericht: Fiat 500 Cabrio

30.11.2020 von Marcus Zacher

Schmuckstück für die City

Es hat viel zu lange gedauert, bis Fiat die europäischen Innenstädte mit einem elektrischen 500 bereichert. Doch mit moderner Technik und emotionalem Design geht der Cinquecento endlich auf Kundenfang. Wir fuhren den kleinen Italiener und klären, ob sich das Warten auf den ersten, offiziell in Europa erhältlichen, elektrischen Cityflitzer der Marke gelohnt hat.

Design können sie. Das muss man den Italienern einfach lassen. Der neue Fiat 500, den es ausschließlich mit Elektroantrieb geben wird, ist wirklich ein Schmuckstück. Die vom Ur-Cinquecento inspirierte, geschlossene Front passt zum E-Modell mit seinem minimalen Kühlbedarf noch besser als zur Verbrennervariante des weiterhin produzierten Vorgängers. Da der 500er Fiats wichtigstes Fahrzeug in der Modellpalette ist, darf der Neue seine Bezeichnung jetzt auch stolz in der Front tragen. Die runden LED-Frontscheinwerfer sind beim neuen Modell nun zweigeteilt, wobei der obere Teil in der Fronthaube ein wenig an eine akkurat gezupfte Augenbraue erinnert. Fiat hat das zeitlose Design in Details optimiert. So gehen die Blinker in die verchromte Seitenleiste über und die Türgriffe sind flach in die Tür integriert.

Zugegeben, obwohl sich der neue 500er nur noch wenige Teile mit dem Vorgängermodell teilt, kann man die beiden Varianten leicht verwechseln. Doch beim direkten Vergleich wirkt die E-Version dennoch ein ganzes Stück moderner, cleaner und weniger verspielt. Wirklich schick sind auch die diversen Außenfarben, die live noch eine ganze Ecke mehr hermachen, als die Fotos vermuten lassen. Das Farbspiel im Sonnenlicht ist bei einigen Lackfarben wirklich spektakulär.

Schicke Hülle mit etwas tristem Innenleben

Im Innenraum ist den Fiat-Designern dann ein bisschen der Mut verloren gegangen. Für etwas Pepp sorgt noch die in Wagenfarbe lackierte Zierblende des Armaturenbretts und die stylischen Sitze im Nadelstreifendesign, doch die verwendeten Kunststoffe deuten auf einen fleißig verwendeten Rotstift hin. Immerhin gibt es zahlreiche Ablagen, die Bedienung gibt ebenfalls kaum Rätsel auf und die wichtigsten Funktionen hat man nach wenigen Minuten gelernt. Loben muss man auch den hochauflösenden, zentralen Touchscreen, der mit toller Grafik und kurzen Bedienzeiten einfach zu bedienen ist. Unser Testwagen war noch ein sehr frühes, italienisches Modell, weshalb die deutsche Übersetzung hier und da noch etwas Feinschliff bedarf, ebenso das Bluetooth-Streaming, das mit häufigen Aussetzern nervte. Doch bis die ersten Kunden ihren 500er in Deutschland in Empfang nehmen dürfen, vergehen ja noch ein paar Wochen und außerdem ist das System updatefähig – per over-the-air (OTA) natürlich.

Mit 3,63 Metern Außenlänge gehört der 500 zur Klasse der Kleinstwagen, in der sich auch der Smart EQ forfour (3,50 m), der Renault Twingo Electric (3,62 m) oder der VW e-Up! (3,60 m) tummeln. Doch diesen dreien fehlt der Lifestylecharakter, den beispielsweise der Mini Cooper SE mitbringt. Der ist jedoch mit 3,85 Metern ein gutes Stück länger. So mini ist der Mini inzwischen eben auch nicht mehr.

Doch zurück zum Fiat. Im Vergleich zu den genannten Wettbewerbern hat man im Fond und im Kofferraum wirklich sehr wenig Platz. In Reihe eins findet man nicht nur aufgrund des fehlenden Mitteltunnels ausreichend Raum vor, doch hinten halten es Erwachsene nur kurze Zeit aus und mit 185 Litern ist der Kofferraum ebenfalls nicht gerade üppig bemessen. Selbst bei umgeklappten Sitzen passen nur 550 Liter ins Gepäckabteil, im Renault Twingo sind es dann über 400 Liter mehr. Ein Raumwunder ist der Fiat schon mal nicht.

Flottes Stadtmobil

Anders als das historische Vorbild der späten 1950er Jahre sitzt der Antrieb beim neuesten 500er wieder unter der Fronthaube und treibt dort auch die Räder an. Die permanenterregte Synchronmaschine leistet 87 Kilowatt und 220 Newtonmeter, was für das Mitschwimmen im städtischen Verkehr absolut ausreichend ist und beim Ampelsprint lässt der kleine Italiener problemlos deutlich stärkere Verbrenner stehen. Kein Wunder, denn auf 50 km/h sprintet der Fiat in nur 3,1 Sekunden. Während er im Modus „Normal“ ewig lang segelt, sobald man das Fahrpedal lupft, ist im Modus „Range“ echtes One-Pedal-Driving möglich. Um die letzten Kilometer aus dem Akku zu kitzeln, kann der „Sherpa“-Modus aktiviert werden. Der Motor gibt dann für den Stadtverkehr immer noch genug Leistung ab, doch werden auch sämtliche Heizungen deaktiviert.

Im Normal- und Range-Modus fühlt sich der 500 jedoch selbst auf der Autobahn kräftig an und so sind auch die 150 km/h Spitzengeschwindigkeit schneller erreicht, als man dem kleinen, runden Auto zunächst zutrauen würde. Klar, bei dieser Geschwindigkeit sind die Windgeräusche – insbesondere im getesteten Cabrio – deutlich wahrnehmbar. Hier sind Limousine und der 3+1 sicherlich ein gutes Stück leiser.

Doch da die zügige Autobahnfahrt kaum der Hauptanwendungszweck des 500 ist, drosselt man lieber das Tempo auf Richtgeschwindigkeit und überlässt den Assistenzsystemen die Beschleunigungs-, Brems- und Lenkarbeiten. Das machen sie übrigens sehr überzeugend, zumal eine Kamera auch die Verkehrszeichen erkennt und für den Abstandstempomaten eine entsprechende Fahrgeschwindigkeit vorschlägt, die man mit einem Knopfdruck übernehmen kann. So etwas kennt man sonst nur von Autos, die sich ein bis zwei Klassen darüber tummeln und Mini-Fahrer*innen blicken in diesem Punkt wohl neidisch auf den kleinen Italiener. Einziges Manko: Der Spurhalteassistent lässt sich erst ab 60 km/h aktivieren und hat somit in der Stadt die meiste Zeit Sendepause. Die anderen Assistenten stehen aber weiterhin parat und helfen bei der Überwachung der Umgebung.

Hightech gegen schlechte Übersicht

Gerade beim Einparken ist das auch notwendig, denn zumindest im Cabrio ist die Sicht nach hinten ziemlich bescheiden. Durch das kleine Fenster lässt sich kaum erahnen, ob sich hinter dem eleganten Heck ein Poller oder ein Begrenzungsstein befindet, doch hier hilft die hochauflösende Rückfahrkamera, die es im Paket mit der 360-Grad-Kamera gibt. Wieder so ein Extra, das man sonst nur in teureren Modellen findet.

Anders als der britische Wettbewerber in Retro-Optik verzichtet der 500 bewusst auf sämtliche Sportallüren und gibt sich gediegen und komfortabel. Die Lenkung ist relativ leichtgängig und rückmeldungsarm, das Fahrwerk lässt dafür auch gröbere Unzulänglichkeiten der Frankfurter Straßen nur gedämpft an die Insassen durch. Für ein so kleines Auto nicht schlecht. An den Go-Kart-Charakter des Mini kommt der 500 allerdings nichts ansatzweise heran. Aber das muss er auch nicht.

Mit 42 Kilowattstunden haben sich die Italiener bei der Batterie nicht lumpen lassen und das in dieser Klasse größte Akkupaket im Unterboden montiert. Nutzbar sind davon 37,3 Kilowattstunden, womit der Fiat laut WLTP-Norm als Cabrio 306 Kilometer schaffen soll. Bei der Limousine und im 3+1 sind ein paar Kilometer mehr drin. Der WLTP-Verbrauch wird mit 14,6 bis 14,9 kWh/100 km angegeben. Im Test schafften wir bei kühlen Temperaturen im gemischten Profil und wenig sparsamer Fahrweise 18 kWh/100 km. Mit sensiblerem Stromfuß und Temperaturen um die 20 Grad erscheint der WLTP-Verbrauch daher machbar.

Auf jeden Fall lädt der Fiat außerordentlich fix und lässt auch hier die Kleinstwagen-Konkurrenz hinter sich. Bis zu 85 kW sind an der DC-Ladestation möglich, womit der Akku in nur 35 Minuten von 0 auf 80 Prozent des Ladezustands geladen werden kann. Für die Wechselstromladung verbaut Fiat serienmäßig einen dreiphasigen 11-kW-Lader. Hier dauert der Ladevorgang dann etwas über vier Stunden für die komplette Akkuladung.

Günstige Alternative: der Fiat 500 Action

Günstig ist der neue Elektro-Fiat leider nicht. Mit großer Batterie kostet der 500 als Cabrio mindestens 30.560 Euro (inkl. 19 % MwSt.) und lässt sich dann noch umfangreich ausstatten und individualisieren. Die Limousine ist mit 27.560 Euro immerhin 3.000 Euro günstiger. Damit trifft sie ziemlich genau die Lücke zwischen dem größeren und stärkeren, aber auch mit einem kleineren Akku ausgestatten Mini Cooper SE (ab 32.500 Euro) und einem Renault Twingo Electric (ab rund 24.800 Euro), der allerdings auch deutlich schwächer motorisiert und batterietechnisch klar unterlegen ist

Wer den kleinen Fiat schick findet und sich auch mit weniger Leistung und Reichweite zufrieden gibt, kann auch zum 500 Action greifen, der bereits ab 23.560 Euro erhältlich ist. Mit 23,7-kWh-Batterie und 70 kW Leistung zielt dieser genau auf den Twingo Electric oder den Smart EQ forfour, hat den beiden allerdings die CCS-Ladung mit 50 kW voraus.

Fazit: Bereicherung im Kleinstwagensegment

Sind wir ehrlich, der Fiat 500 überzeugt zunächst einmal mit seinem gelungenen, italienischen Retrodesign. Doch auch unter dem hübschen Blech hat Fiat aufgepasst und dem Elektro-Cinquecento einen großen Akku, eine ordentliche DC- und AC-Ladeleistung und einen völlig ausreichenden Elektromotor spendiert. Im Innenraum herrscht zwar ein wenig Sparzwang und der Platz ist gerade im Fond und im Kofferraum knapp bemessen, doch das macht der sympathische Stadtflitzer mit seinen modernen Assistenzsystemen und dem schnellen Infotainment wieder wett. Er wird viele Herzen erobern, der kleine Retro-Flitzer.

Technische Daten
Fahrzeugbezeichnung: Fiat 500 Cabrio
Fahrzeugbeschreibung: viersitziger, zweitüriger Kleinstwagen, Cabrio, Frontantrieb
ANTRIEB
Bauart: 1x permanenterregte Synchronmaschine
Leistung: 87 kW
max. Drehmoment: 220 Nm
BATTERIE & LADESTANDARD
Energieinhalt (brutto/netto): 42 kWh/37,3 kWh
Batterieaufbau: 96 Zellen in zwei Zellmodulen, Zellkapazität: 60 Ah
Wärmemanagement: Flüssig-Thermalmanagement
Batteriegarantie: 8 Jahre oder 160.000 km (SoH >70 %)
Ladestandard AC: Typ 2 11 kW 3p
Ladestandard DC: CCS 85 kW
Ladezeit AC Schuko-Steckdose 0-100 %: 15 h 15 min
Ladezeit AC 11-kW-Ladestation 0-100 %: 4 h 15 min
Ladezeit AC 22-kW-Ladestation 0-100 %: 4 h 15 min
Ladezeit DC 50-kW-Ladestation 0-80 %: N/A
Ladezeit DC 150-kW-Ladestation 0-80 %: 35 min
Ladezeit DC 350-kW-Ladestation 0-80 %: 35 min
FAHRLEISTUNGEN
Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h
Beschleunigung (0-50 km/h): 3,1
Beschleunigung (0-100 km/h): 9,1 s
REICHWEITE & VERBRAUCH
NEFZ: N/A
EPA: N/A
WLTP: 298-306 km
Verbrauch (WLTP): 14,9-14,6 kWh/100 km
ABMESSUNGEN & GEWICHT
Länge x Breite (ohne Spiegel) x Höhe: 3,632 m x 1,683 m x 1,527 m
Breite (mit Spiegel): 1,900 m
Luftwiderstandsfläche (cW x A): N/A
Luftwiderstandsbeiwert (cW): N/A
Gepäckraum: 185-550 l
Leergewicht: 1.480 kg
Anhängelast (gebremst/ungebremst): -
PREIS
Deutschland: ab 30.560 Euro
Österreich: ab 31.390 Euro

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