Fahrbericht: Tesla Model S Plaid

10.12.2022 von Vanessa Lisa Oelmann

Karierter Überflieger?

Es ist still geworden um die einst nahezu in jeder Hinsicht der Konkurrenz überlegenen Oberklassemodelle von Tesla. Seitdem mit dem Model 3 ein technisch moderneres Auto zu einem deutlich günstigeren Einstiegspreis angeboten wird, nahmen die Model S Verkäufe drastisch ab und auch die SUV-begeisterte Kundschaft entschied sich zunehmend für ein Model Y anstelle eines Model X. Zeitweise konnten die beiden Modelle in Deutschland gar nicht mehr bestellt werden.

Höchste Zeit, das Oberklassesegment der elektrischen Pioniersmarke endlich wieder attraktiv zu machen, dachte sich Tesla wohl, denn nach beinahe zwei Jahren Abstinenz kehren das Model S und X stark überarbeitet endlich nach Europa zurück. Elektroautomobil durfte das Model S Plaid in einer exklusiven Preview-Veranstaltung vor seiner Markteinführung im Dezember 2022 testen.

Die Bezeichnung Plaid, zu deutsch „Karomuster“, stammt ursprünglich aus dem Star-Wars-Parodiestreifen Spaceballs und bezieht sich auf die karierte Spur, die das Raumschiff der Protagonisten bei Höchstgeschwindigkeit im Weltraum hinterlässt. Der Name der neuen Topmotorisierung verspricht also nichts weniger als surreale Leistungsdaten und überirdischen Fahrspaß, aber kann das Fahrzeug diesem Ruf gerecht werden und seine selbst gesteckten Ziele erfüllen?

Viel Neues unterm Blech

Äußerlich hebt sich das Model S Plaid jedenfalls kaum von den bisherigen Fahrzeugen ab. Als wir auf das Gelände des „Seed & Greet“-Ladeparks in Hilden rollen, scheint keiner der anwesenden Teslafahrer überhaupt zu bemerken, dass es sich um eins der ersten Plaid-Modelle auf deutschen Straßen handelt. Die Änderungen im Exterieur fallen teslatypisch subtil aus – neben den facelifttypischen Überarbeitungen, wie den neuen Scheinwerfern und einem nachgeschärften Heck, lässt sich das Model S Plaid nur anhand des karierten Badges unter dem rechten Rücklicht identifizieren.

Unter dem Blech fallen die Neuerungen hingegen deutlich stärker aus: Das Model S wird nun – wie seine kleineren Geschwister Model 3 und Model Y – mit einem CCS-Anschluss ausgeliefert. Bislang mussten Model-S- und Model-X-Kunden einen Adapter nutzen, um an einer CCS-Station laden zu können, wodurch die Ladeleistung auf verhältnismäßig schwache 140 kW begrenzt wurde. Die Thermalsysteme wurden ebenfalls überarbeitet und sind merklich leistungsfähiger als zuvor.

Die Plaid-Motorisierung verfügt zudem über einen neuen, dreimotorigen Antriebsstrang mit einer Spitzenleistung von 750 kW, der das Fahrzeug blitzartig nach vorne katapultiert und den überwältigten Fahrer schon beim ersten Strompedalstoß glauben lässt, er säße in einem Kampfjet.

Ein Lenkrad wie im Rennwagen

Die massivsten Überarbeitungen erkennt man allerdings erst, wenn man den Innenraum des aufgefrischten Model S erblickt. Das Cockpit wurde rundum erneuert, der Zentralbildschirm ist nicht länger vertikal, sondern horizontal ausgerichtet und lässt sich sogar zum Fahrer hin neigen. Die Entscheidung, ein Yoke- anstelle eines regulären Lenkrads zu verbauen, wird seit der Veröffentlichung der Faceliftfotos im August letzten Jahres heiß diskutiert.

Bekanntlich stellt sich bei Teslas Designentscheidungen häufiger die Frage, ob diese in Hinsicht auf bessere Funktionalität implementiert werden oder ob sich die Marke lediglich um jeden Preis von der Konkurrenz abheben möchte. War es beispielsweise wirklich von Vorteil, die Blinkertasten in Ferrari-Manier auf das Lenkrad zu verlegen, oder ist Teslas Streben nach immer mehr Minimalismus letztlich mit ihnen durchgegangen?

Trotz der ungewohnten Ergonomik haben wir uns aber recht schnell an das Yoke gewöhnt und wenngleich man zu Beginn noch häufiger die linke Hand nach dem nicht vorhandenen Blinkerhebel ausstreckt, fühlt es sich nach einiger Zeit recht angenehm an, beide Hände dauerhaft am Lenkrad lassen zu können. Das Model S lässt sich mit dem Yoke in der Stadt und auf der Autobahn sehr gut steuern, lediglich auf kurvigen Landstraßen oder bei Wendemanövern wird man anfangs immer wieder ins Leere greifen.

Edleres Interieur

In puncto Passagierkomfort legen die neuen Plaid-Modelle die Messlatte weit nach oben. Die Sitze wurden umgestaltet und der Innenraum verfügt über noch mehr Platzangebot als bisher. Zudem hat nun jeder Passagier Zugang zu seiner eigenen Klimasteuerung und USB-Schnittstelle. Die zweite Sitzreihe wurde mit einem hochauflösenden Bildschirm versehen, auf dem Serien gestreamt und künftig auch Videospiele gespielt werden können, allerdings ist die tiefe Positionierung des Displays alles andere als ergonomisch.

Das neue standardmäßige 960-Watt-Audiosystem bietet ein beeindruckendes Klangerlebnis, hält problemlos mit den Systemen anderer namhafter Hersteller mit und übertrifft sie sogar in so mancher Disziplin. Das Interieur wirkt generell deutlich wertiger als bisher, wir konnten keine einzige Stelle mit billigem Hartplastik finden, denn sämtlicher Kunststoff wurde unterschäumt oder mit ansprechenden Materialien verkleidet.

Dennoch weist auch das Model S Plaid ein paar teslatypische Mängel auf, die bei einem Fahrzeug in dieser Preisklasse nicht auftreten dürften. Beispielsweise zeichnete sich bei unserem Testfahrzeug unter dem Pralltopf des Lenkrads die Sollbruchstelle des Airbags ab und hinterließ dort einen venenartigen Abdruck – höchst unschön bei einer Oberklasselimousine, die ab 137.990 Euro zu erwerben ist.

Den vollen Speed gibt’s erst später

Aufgrund der Verkehrssituation sowie der Winterbereifung war es uns leider nicht einmal ansatzweise möglich, das Model S Plaid an seine Grenzen zu bringen, der enorme Vortrieb im Bereich zwischen 80 und 180 km/h lässt allerdings erahnen, welche Leistung in dem Fahrzeug steckt. Die drei Hochleistungsmotoren mit karbonummantelten Rotoren leisten bis zu 750 kW und erlauben mit einem zukünftigen Hardware-Upgrade eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 322 km/h (vorerst sind es „nur“ 282 km/h) – unfassbare Daten für ein Serienfahrzeug, die bis vor ein paar Jahren keiner für möglich gehalten hätte und regelrecht der Physik zu trotzen scheinen. Dass die versprochenen 2,1 Sekunden von Null auf 100 km/h im deutschen Messzyklus mit stehendem statt rollendem Start nicht erreicht werden können, ist letztlich zweitrangig und ändert nichts an der Tatsache, dass die Performance nicht von dieser Welt scheint.

Fazit: Ein Comeback dank Plaid

Kann das Model S Plaid also seinem galaktischen Namenspaten das Wasser reichen? Eine Oberklasselimousine mit einem Raumschiff zu vergleichen, ist sicherlich übertrieben, aber der Plaid-Antrieb befördert das bis zuletzt als veraltet abgestempelte Model S in bisher unbekannte Sphären und verleiht dem Oberklassesegment der Marke neue Beliebtheit.

Daher freuen wir uns auf eine baldige, ausführlichere Testfahrt, aber hoffen auf bessere Verkehrs- und Wetterverhältnisse, um die ungebändigte Performance nächstes Mal vollumfänglich erleben zu können.

Fotos: V. L. Oelmann, Tesla

Technische Daten Tesla Model S Plaid
Fahrzeugbeschreibung: fünftürige, fünfsitzige Oberklasse-Limousine
ANTRIEB
Bauart: eine permanenterregte Synchronmaschine (PSM) an VA, zwei PSM an HA, Allradantrieb
Leistung: 750 kW
Drehmoment: 1.140 Nm
BATTERIE & LADESTANDARD
Energieinhalt (brutto/netto): ca. 100 kWh/—
Wärmemanagement: Flüssigkeitskühlung
Ladestandard AC: Typ 2 16,5 kW 3p
Ladestandard DC: CCS 250 kW (am Supercharger, sonst 200 kW)
Ladezeit AC 11-kW-Ladestation: N/A
Ladezeit DC 350-kW-Ladestation: N/A
FAHRLEISTUNGEN
Höchstgeschwindigkeit: 282 km/h (322 km/h mit Hardware-Upgrade)
Beschleunigung (0-100 km/h): 2,1 s (inkl. 1-Foot-Rollout)
REICHWEITE & VERBRAUCH
Verbrauch (WLTP): 18,7 kWh/100 km
Verbrauch (EPA): 20,7–18,1 kWh/100 km
Reichweite (WLTP): 600 km
Reichweite (EPA): 560–637 km
ABMESSUNGEN & GEWICHT
Länge x Breite (exkl. Spiegel) x Höhe: 5,021 m x 1,987 m x 1,431 m
Breite (inkl. Spiegel): 2,189 m
Radstand: 2,960 m
Wendekreis: 12,3 m
Gepäckraum: 709–1.739 l
Frunk: 89 l
Leergewicht: 2.265 kg
Zuladung: N/A
Anhängelast (gebremst/ungebremst): 1.600 kg/750 kg
cW-Wert: 0,208
Luftwiderstandsfläche (cW x A): N/A
PREIS
Deutschland: ab 137.990 €
Österreich: ab 138.990 €
  1. Wolfgang sagt:

    Wer braucht so nen scheiß, ist sowieso für Normalverdiener unerreichbar 130 000. € .

    1. Wolfgang Schnuerch sagt:

      Definiere brauchen.
      Ist das jetzt Scheisse für dich, weil du es dir nicht leisten kannst?

      1. Martin Staudt sagt:

        Der Neider hat
        sich geoutet!

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