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EAM 01/2025 – Februar/März
Der schwedische Zweiradhersteller RGNT hat trotz seiner jungen Jahre eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Nach einer Insolvenz startet der Hersteller jetzt als RGNT Reborn neu durch. Die RGNT Turbo ist das erste, neue Modell nach dem Neustart. Ob sie das Potential hat, nun auch den Verkaufs-Turbo zu zünden, konnten wir bei einer ersten Ausfahrt herausfinden.
Wer die Szene der elektrischen Motorräder aufmerksam beobachtet, dürfte RGNT bereits kennen. Die Schweden starteten 2020 mit der No. 1 (Fahrbericht im EAM-Podcast), später folgte die No. 1 Scrambler und ein technisches Update. Die 2023er No. 1 Classic testeten wir im Sommer 2023 (Test in EAM-Ausgabe 05/2023).
Damals lautete unser Fazit: „Hochwertiges Pendler-Motorrad mit Detail-Schwächen: Wer auf den Look klassischer Motorräder in Verbindung mit traditioneller Handwerkskunst steht, aber dennoch in den Genuss eines zeitgemäßen […] Antriebs kommen will, ist bei der RGNT No.1 Classic SE oder dem Schwestermodell No.1 Scrambler SE an der richtigen Adresse. Leider lässt sich der schwedische Hersteller seine Fertigungskünste fürstlich entlohnen, was akzeptabel wäre, wenn die einzelnen Schwachpunkte – wie die langsame Ladeleistung, der zu schnell überhitzende E-Motor oder das fehlende ABS – nicht wären.“
Kurz darauf, Ende 2023, musste RGNT (englisch gesprochen: „Regent“) Insolvenz anmelden. Es fanden sich jedoch neue Investoren und seitdem wird unter dem Firmennamen „RGNT Reborn“ an einem Neustart gearbeitet. Das Erstlingswerk der wiedergeborenen Regenten ist die „Turbo“. Und der Name verspricht Programm zu sein: Mit 46 kW Peak-Leistung ist die im Stile der 80er-Jahre gestaltete Maschine für ein Motorrad der 125er-Klasse (A1-Klasse) mehr als ordentlich motorisiert. Zum Vergleich: Bei den „alten“ Modellen waren maximal 21 kW Spitzenleistung abrufbar.
Wir hatten nun die Gelegenheit, eine Vorserienmaschine durch die Weinberge rund um Stuttgart zu scheuchen. Denkt man sich die auffällige weiß-lila Farbgebung „Purple Rain“ einmal weg, sieht die neue Turbo auf den ersten Blick nicht viel anders aus, als ihre Vorgänger. Dennoch wurden der Rahmen, die Batterie oder die Radaufhängung neu konstruiert und ein komplett neuer Radnabenmotor verbaut. Wer es dezenter mag, bekommt das Bike übrigens auch komplett in Schwarz.
Mit einem Gewicht von 160 Kilogramm ist sie verhältnismäßig leicht, die Sitzhöhe mit 82 Zentimetern macht sie auch für nicht ganz so große Personen zugänglich. So lässt sich die Maschine spielend leicht rangieren. Während der Motor im Normal-Modus noch gelassen auf einen Dreh am Stromgriff reagiert, legt sie im Dynamic-Modus ordentlich nach und sorgt schon jetzt für kurze Überholmanöver.
Schaltet man den Turbo-Modus zu, liegen die vollen 46 kW an – und die Arme werden lang. Wow, so viel Dampf hätten wir dem kleinen Motorrad nicht zugetraut. Anders als bei den älteren Modellen lässt der Durchzug auch nach mehrfachem Abruf nicht nach, ein Leistungseinbruch war selbst bei 50 Prozent Ladezustand nicht feststellbar.
Laut Hersteller soll die Turbo in nur vier Sekunden auf 100 km/h sprinten können. Das konnten wir zwar nicht nachmessen, erscheint jedoch glaubwürdig. Die Spitze wird mit 120 km/h auf dem neuen Display im Design eines klassischen Rundtachos angezeigt, was echten 115 km/h entsprechen soll. Das reicht locker, um auf einer Landstraße mitzuschwimmen und souverän überholen zu können. Für mehr Kontrolle in den Kurven wurde die Sitzposition optimiert, wodurch man nun einen verbesserten Knieschluss hat.
Wer die Leistung jedoch häufig abruft, muss natürlich mit einer eingeschränkten Reichweite rechnen. Etwa 85 Kilometer weit hätten wir hochgerechnet fahren können, wenn wir mit vollem Ladezustand gestartet wären. Bei wärmeren Temperaturen, ebenerer Topografie und etwas verhaltenerer Verwendung des Stromgriffs erscheinen damit mindestens 100 Kilometer realistisch. Zum Vergleich: Mit der No. 1 Classic konnten wir 2023 eine rechnerische Reichweite von 140 Kilometer bei Überlandfahrt ermitteln, allerdings hat die neue Turbo mit 7,5 kWh eine um 2 kWh kleinere Batterie. Der Grund dafür ist das aggressive Kostenziel, dass man sich gesetzt hat. Denn der Hauptknackpunkt des Vorgängers dürfte der Einstiegspreis von rund 15.000 Euro gewesen sein, der potentielle Kunden möglicherweise abgeschreckt hat.
Die neue Turbo steht trotz doppelter Leistung für exakt 9.995 Euro in der Liste. Bei 5.000 Euro Preisunterschied ist es wenig verwunderlich, dass man bei der Ausstattung einige Kompromisse eingehen musste. Neben dem kleineren Akku fallen uns die Bedienelemente auf. Die hochwertigen, leicht betätigbaren Hebel der Vorgängergeneration sind leider dem Rotstift zum Opfer gefallen. Die nun verbauten Tasten sind zu klein, geben wenig Feedback und lassen sich mit Handschuhen nur umständlich drücken – Fehlbedienungen garantiert!
Ebenso vermissen wir den früheren Stromgriff, der eine präzisere Dosierung der Leistung erlaubte und mit dem sich durch Drehen in die entgegengesetzte Richtung die Rekuperation steuern ließ. Diese Funktion gibt es jetzt nicht mehr. Zudem wurde der LED-Frontstrahler wurden gegen eine Halogenleuchte ausgestauscht. Unverständlich ist, dass ein ABS weiterhin fehlt. Wie die meisten Elektro-A1er ist die RGNT nur mit einem CBS-System ausgestattet.
Geblieben ist jedoch die Typ-2-Ladedose im „Tank“: Serienmäßig wird der Akku mit 1,8 kW geladen werden. Gegen Aufpreis kann nachträglich ein stärkerer Bordlader verbaut werden, mit dem sich die Ladeleistung auf 3,3 kW erhöht. Damit soll die Ladung von 20 auf 80 Prozent in etwa einer Stunde erfolgen.
Leistung rauf, Preis runter: Mit diesem Rezept wollen die Schweden nun endlich auf dem Zweiradmarkt durchstarten. Dass die Turbo unter der psychologisch wichtigen 10.000-Euro-Marke bleibt, dürfte schwerer wiegen, als die im Vergleich zu den Vorgängern nun reduzierte Ausstattung. Und mehr Elektro-Power gibt es derzeit kaum für diesen Preis. Das Rezept könnte aufgehen und die Regentin so als kraftvolles Pendler-Bike ihren zweiten Frühling feiern. Apropos Frühling: Die Auslieferungen sollen ab April – und damit pünktlich zum Saisonstart – beginnen.
Fotos: RGNT, M. Zacher
Technische Daten | RGNT Turbo |
---|---|
Fahrzeugklasse: | Motorrad der Klasse L3e-A1 |
Sitze: | 2 |
ANTRIEB | |
Bauart: | Radnabenmotor |
Leistung (Spitze/Nenn): | 46 kW/11 kW |
Drehmoment: | 540 Nm |
BATTERIE & LADESTANDARD | |
Batterie: | 7,5 kWh |
Wärmemanagement: | Luftkühlung |
Ladeleistung AC: | 1,8 kW (opt. 3,3 kW) |
Ladeleistung DC: | — |
Ladezeit AC (20–80 %): | ca. 2 h 30 min |
Ladezeit AC (0–100 %): | ca. 4 h |
FAHRLEISTUNGEN | |
Höchstgeschwindigkeit: | 115 km/h |
Beschleunigung (0–100 km/h): | 4 s |
Bremssystem: | CBS |
REICHWEITE & VERBRAUCH | |
Verbrauch (WMTC): | N/A |
Reichweite (WMTC): | 126 km |
ABMESSUNGEN & GEWICHT | |
Länge x Breite (exkl. Spiegel) x Höhe: | N/A |
Breite (inkl. Spiegel): | N/A |
Radstand: | N/A |
Reifen vorne: | Dunlop D602 100/90-R18 |
Reifen hinten: | Dunlop D602 130/80-R17 |
Sitzhöhe: | 0,820 m |
Gepäckfach: | — |
Fahrzeuggewicht: | 158 kg |
Zuladung: | N/A |
PREIS | |
Verfügbarkeit: | bestellbar, Auslieferungen ab April 2025 |
Deutschland: | ab 9.995 € |
Österreich: | N/A |
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