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EAM 02/2025 – April/Mai
Mit dem Firefly möchte Nio endlich die Herzen europäischer Autofahrer erobern. Der kompakte Stromer soll nicht nur durch Technik, sondern auch durch Charme und Alltagstauglichkeit überzeugen. Gelingt Nio damit der Ausbruch aus der Nische?
Nio nimmt für den Flirt mit den Europäern einen neuen Anlauf. Denn nachdem die Chinesen uns bislang zwar mit ihrer Technik fasziniert und vor allem mit dem Batteriewechsel beeindruckt haben, konnten sie damit eher unser Hirn erreichen als unser Herz. Auch unser Portemonnaie blieb bislang unberührt. Nio war deshalb in einer noblen Nische gefangen. Jetzt starten sie eine Charmeoffensive – und rollen gegen Mini & Co. den Firefly ins Rennen.
Ziemlich genau vier Meter kurz und innen trotzdem geräumig wie ein Großer, soll er mit einem charakterstarken Design überzeugen, das knuffig ist, ohne niedlich zu sein, frisch, aber nicht futuristisch – und mit den markanten drei Punktleuchten vor allem unverwechselbar ist. Dass die Silhouette ein wenig an den Honda e erinnert, ist dabei sicher kein Schaden.
Mit einem Grundpreis, der dank der schmerzhaften EU-Zölle wohl bei ziemlich genau 30.000 Euro und damit beim Doppelten der China-Tarife liegen wird, ist zwar auch der Firefly kein Schnäppchen. Selbst wenn sich der Einstiegspreis für einen Nio in Deutschland damit mal eben halbiert.
Dafür bietet er aber deutlich mehr als die aktuellen Kleinwagen für den Preiskampf an der Ladesäule. Neben Citroën ë-C3 oder Hyundai Inster und erst recht neben dem Leapmotor T03 glänzt das Glühwürmchen mit einer üppigen Komfortausstattung bis hin zu klimatisierten Sitzen oder der elektrischen Heckklappe, mit der üblichen Assistenztechnik und allem, was es für Euro-NCAP-Sterne braucht.
Und jede Menge Platz gibt es obendrein: Bei 2,62 Metern Radstand fährt man vorne wie in der Mittelklasse. Weil die beiden Sitze durch die Konsole dazwischen komplett miteinander verbunden sind, fühlt sich das an wie ein Sofa – und deshalb noch bequemer. Auch hinten reicht es für mehr als zwei Grundschüler, selbst Erwachsene halten es dort länger aus als nur bis in die Stadtmitte.
Wer beim Shoppen über sich hinausgewachsen ist, muss kein Lieferdienst beauftragen. Schon der Kofferraum fasst 404 Liter und lässt sich auf 1.235 Liter erweitern. Der Frunk ist – dem Heckantrieb sei Dank – mit 92 Litern größer als bei den allermeisten Mittelklassemodellen. Und als wäre das noch nicht genug, gibt es im Innenraum zwei Dutzend Ablagen, von denen die pfiffigsten unter dem Beifahrersitz und der größeren Hälfte der Rückbank versteckt sind. Beide groß genug für eine Hand- oder Einkaufstasche oder eine Tüte Schmutzwäsche nach dem Gym.
Selbstredend sparen die Chinesen natürlich auch nicht an der Elektronik. Das Display hinter dem Lenkrad ist zwar kleiner als ein Smartphone, aber daneben prangt ein großes Tablet vor dem Armaturenbrett, auf dem hübsch sortiert und selbst in der chinesischen Version gut zu bedienen alle wichtigen Apps und die Navigation samt intelligenter Ladeplanung liegen.
Und wer sich da nicht zurechtfindet, dem hilft Lumo, die jugendliche Schwester von Nios digitaler Copilotin Nomi. Sie klimpert einen diesmal nicht mit Kulleraugen aus der Kugel neben dem Cockpit an, ist aber genauso freundlich und hilfsbereit und dank ChatGPT-Integration ein kleines Sprachgenie, das einem auch zu Fragen weit außerhalb des Autos Rede und Antwort steht. Apple CarPlay und Android Auto gibt es bei Firefly jetzt ebenfalls.
Dass der Firefly wenn schon nicht billig, dann doch zumindest bezahlbar sein soll, merkt man allerdings beim Antrieb. Die 105 kW Motorleistung gehen für einen Kleinwagen, der vor allem im Stadtverkehr genutzt wird, noch vollkommen in Ordnung. Zumal er mit 200 Newtonmetern in 8,1 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt und immerhin mit 150 km/h über die Autobahnen fahren darf.
Und was ihm am letzten Biss fehlt, macht er mit seiner Wendigkeit wieder wett. Weil der Motor die Hinterachse dreht, ist vorne Platz für einen großen Lenkeinschlag – nur 9,40 Meter Wendekreis reichen ihm für den U-Turn. Wo die anderen noch rangieren, schwirrt das Glühwürmchen deshalb schon wieder davon.
Der aus Kostengründen mit LFP-Zellen bestückte Akku dagegen bewegt sich am unteren Rand der Toleranzgrenze. Er hat gerade mal 41,2 kWh und reicht deshalb nur für 330 Kilometer nach europäischer Norm. Auf dem Papier ist das vielleicht noch genug für einen Stadt- und Zweitwagen. In der Praxis könnte das allerdings knapp werden.
Zumal der Firefly auch beim Laden eher glimmt als zu glühen: 11 kW AC und 100 kW DC sind ordentliche, aber keine Spitzenwerte.
Allerdings haben die Chinesen dafür eine Lösung parat, die zumindest in der Theorie perfekt ist. Auch der Firefly hat ein Batteriewechselsystem und ist damit in drei Minuten wieder voll – wenn denn eine Wechselstation in der Nähe wäre.
Denn erstens hat Nio davon in Deutschland seit dem Start im Herbst 2022 gerade einmal 20 Stationen installiert, und zweitens kann der Firefly die bestehenden Anlagen noch nicht nutzen, weil sein Akku zu klein für deren Technik ist.
Deshalb muss Nio noch ein zweites Netz knüpfen. Dafür allerdings reichen dann Stationen, die billiger anzuschaffen und einfacher zu bauen sind, sodass sie auch in die Innenstädte kommen können und der Kampf mit den Behörden vielleicht nicht ganz so schmerzhaft wird. Das sollte die Strahlkraft des Glühwürmchens also nicht allzu sehr mindern.
Er sieht gut aus, fährt toll und hat für seinen nicht ganz so kleinen Preis erfreulich viel Substanz. Dass Nio diesmal guter Hoffnung ist, den Geschmack der Europäer zu treffen, liegt aber nicht nur am handlichen Format, dem vergleichsweise bürgerlichen Preis und der knuffigen Gestalt, sondern auch an der Entstehungsgeschichte.
Denn auch wenn er in Hefei drei ICE-Stunden nordwestlich von Shanghai gebaut wird, reichen seine Wurzeln nach Westen: Erdacht und konzipiert wurden Marke und Modell vom europäischen Team in München.
Pro:
Contra:
Der Mini Aceman E ist etwas länger als der Firefly, hat aber einen kleineren Kofferraum und keinen Frunk. Der Akku speichert 42,5 kWh, ist also ähnlich dimensioniert. Das reicht für 310 Kilometer Normreichweite. Die Preise beginnen bei 29.700 Euro in Deutschland und 33.100 Euro in Österreich.
Der Renault 5 ist zwar kleiner als der Firefly, bietet jedoch mindestens ebenso viel Charme. Als Urban Range mit 40-kWh-Akku sollen 312 Kilometer Reichweite möglich sein. Das Platzangebot des Kleinwagens ist jedoch eingeschränkt. Die Preise starten für die Version mit 90-kW-Elektromotor bei 27.900 Euro in Deutschland, in Österreich werden 27.390 Euro fällig.
Der Honda e ist zwar nur noch als Gebrauchtwagen erhältlich, doch hat er das Konzept des Firefly in vielen Punkten vorweggenommen. Der nicht einmal 3,90 Meter kurze Stromer kostete neu um die 40.000 Euro, als Gebrauchtfahrzeug ist er ungleich günstiger zu haben. Aufgrund der wenigen verkauften Exemplare bleibt er ein Blickfang.
Technische Daten (Karosserie) | Firefly |
---|---|
Fahrzeugklasse: | Kleinwagen (B-Segment) |
Karosserie: | fünftürige Steilhecklimousine |
Sitze/Türen: | 5/5 |
ANTRIEB | |
Antriebsart: | Hinterradantrieb |
Leistung: | 105 kW |
Drehmoment: | 200 Nm |
BATTERIE & LADESTANDARD | |
Spannungsklasse: | 400 V |
Zellchemie: | LFP |
Energieinhalt (brutto): | 41,2 kWh |
Ladeleistung AC: | 11 kW |
Ladeleistung DC: | 100 kW |
Ladezeit AC (0–100 %): | N/A |
Ladezeit DC (10–80 %): | 29 min |
FAHRLEISTUNGEN | |
Höchstgeschw.: | 150 km/h |
0–100 km/h: | 8,1 s |
REICHWEITE & VERBRAUCH | |
Reichweite (WLTP): | 330 km |
Verbrauch (WLTP): | 14,5 kWh/100 km |
ABMESSUNGEN & GEWICHT | |
L x B (ohne Spiegel) x H: | 4,003 m x 1,885 m x 1,557 m |
Radstand: | 2,615 m |
Wendekreis: | 9,4 m |
Gepäckraum: | 404–1.235 l |
Frunk: | 92 l |
Leergewicht: | N/A |
Zuladung: | N/A |
Anhängelast (g/u): | N/A |
cW-Wert: | N/A |
PREIS & VERFÜGBARKEIT | |
Verfügbarkeit: | voraussichtlich bestellbar ab Q3/2025 |
Preis DE: | ca. 30.000 € |
Preis AT: | N/A |
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