DS = Mut

16.05.2016 von Redaktion Elektroautomobil

Liebe wird aus Mut gemacht, sang die Popsängerin Nena. Der Wille, Ängste zu überwinden und wirklich Neues zu wagen, ist aber nicht nur in Herzensangelegenheiten, sondern auch im Automobilbau eine große Hilfe. Bei Citroën hat man Erfahrung damit: Im Oktober 1955 stellte die Firma in Paris die DS vor. Die DS und nicht etwa „der“, denn das Kürzel wird im Französischen wie déesse ausgesprochen. Übersetzt: die Göttliche. Und in der Tat war dieses Auto wie von einer anderen Welt. Ein Ufo, gelandet in einer Zeit, in der die meisten Deutschen kaum davon träumen konnten, vom Kleinmotorrad zu einem VW Käfer aufzusteigen.

Die DS war die Kombination aus provokant-fortschrittlichem Design und nie gesehener Technologie. Besonders die hydropneumatische Federung erregte Aufsehen; ein Drucksystem, das auch die Bremsen (statt Pedal gab es eine Art Gummiknopf) und die Lenkung versorgte. Die Karosserie aus Stahl, Aluminium und Kunststoff würden Pressestellen heute als Multimaterialmix preisen und später in der Modellgeschichte folgten die ersten Kurvenscheinwerfer überhaupt. Das ganze Auto war der Irrsinn. Verrückt. Wunderbar.

Als Citroën vor zwei Jahren die Submarke DS Automobiles ins Leben rief, war das nicht nur eine Hommage an den Klassiker. Damit verbunden ist die Absicht, den Wesenskern der DS mit dem Pioniergeist des Firmengründers André Citroën neu und zeitgemäß zu interpretieren.

Das Ergebnis heißt DS E-Tense. Das klingt, wenn man es in der globalisierten Welt Englisch ausspricht, ähnlich wie intense im Französischen, und das bedeutet stark und intensiv. Die Kraft dieses Prototyps ist immens: Zwei Elektromotoren leisten zusammen 296 Kilowatt (402 PS). Das maximale Drehmoment liegt bei 516 Newtonmetern. Und weil E-Maschinen eine Höchstdrehzahl haben und die Leistungskurven nicht ganz so waagerecht verlaufen, wie das meistens vermutet wird, hat der E-Tense drei Gänge. Der erste reicht bis 110 km/h. Der letzte bis 250.

Wir von elektroautomobil fuhren mit. Durch Berlin. Auf dem Beifahrersitz, denn ans Steuer dieses Millionenautos darf nur ein ehemaliger Rennfahrer. Hinten und vorne begleiten uns je ein aktueller DS 4, damit kein übermüdeter Berufspendler zu nah kommt.

Es ist das alte Rezept, das im E-Tense wieder funktioniert und fasziniert: der Mut, eine Komposition aus radikaler Form und zukunftsfähigem Antrieb auf die Räder zu stellen. Der DS E-Tense ist flach und breit, ein Sportinsekt und trotzdem mit großzügigem Raumangebot versehen. Eine Heckscheibe gibt es nicht und so überträgt eine Kamera den Blick auf den rückwärtigen Verkehr zum Innenspiegel. Wir sitzen tief und bequem auf üppigen Sitzen, deren Leder in einem schuppenartigen Muster abgesteppt ist. Abgefahren.

Noch merkt man dem Prototyp den Status der Handfertigung an – das Getriebe macht ein leise mahlendes Geräusch und die Federung ist unnachgiebig, damit die als Einzelanfertigung gebackenen Michelin-Reifen groß sein können, ohne im Radhaus zu schleifen. Alles ist Vorserie, und dennoch ist klar, wohin die Reise geht: DS wird batterieelektrische Autos bauen, die unkonventionell sind. Nicht in einem überkommenen Sinn wie beim schwarzen Rollkragenpulli eines Architekten, sondern als Steigerung der Modernität in der Jetztzeit.

Apropos Batterie: Sie hat im DS E-Tense eine Kapazität von 53 Kilowattstunden und liegt damit ungefähr auf dem Niveau des für 2018 erwarteten Tesla Model 3. Die PSA-Gruppe, zu der neben DS Automobiles die Marken Citroën und Peugeot gehören, wird zwischen 2019 und 2021 mindestens vier vollelektrische Fahrzeuge anbieten. Basis dafür ist die mit dem chinesischen Dongfeng-Konzern entwickelte Plattform e-CMP (für e-Common Modular Platform). Die Reichweite soll bei 450 Kilometern liegen. Her damit.

Fraglos stehen wir am Beginn einer Zeitenwende beim Antrieb der Autos. Wenn alle elektrisch fahren, ist die Zahl der Zylinder kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Um sich abzugrenzen, ist also mehr notwendig. Mehr Leistung und pure Power? Vielleicht. Vor allem aber muss sich der Besitzer mit seinem Fahrzeug identifizieren können; der Haben-wollen-Impuls muss da sein, und den weckt der DS E-Tense.

Zwei Wermutstropfen trüben die Euphorie. Zum einen natürlich die Wartezeit zu einem Serienauto. Das könnte anders aussehen als der E-Tense. Wir wünschen uns eine Limousine mit extrovertierter Gestalt, die mit Teslas Model 3 konkurriert. Zum anderen kann der neue DS keinen derart revolutionären Schlag tun wie die DS in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Den hat nämlich schon das Model S getan.

Das aber ist nicht wichtig. Relevant ist, dass wir uns auf ein neues Produkt freuen dürfen. Eins aus Frankreich und aus bestem Haus, und eins, über das wir bestimmt sagen dürfen, was wir über den E-Tense sagen: Das Teil ist geil. (Christoph M. Schwarzer)

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