Autonome Brennstoffzelle

15.03.2018 von Redaktion Elektroautomobil

Für gewöhnlich geht es bei den Olympischen Spielen um sportliche Höchstleistungen. Doch Gastgeber Hyundai will in einer anderen Disziplin punkten: Die Koreaner haben in Pyeongchang eindrucksvoll demonstriert, wie weit sie mit dem autonomen Fahren sind.

Yechan Ko trägt keinen Trainingsanzug, sondern ganz zivile Kleidung. Und auf die Ski hat er es in den letzten zwei Wochen auch nicht geschafft. Doch wenn man den Koreaner nach seiner Beziehung zu den Olympischen Winterspielen fragt, sieht er sich auf einem Level mit den anderen Athleten – beinahe zumindest. Denn auch Yechan Ko war in gewisser Weise Teilnehmer in Pyeongchang. Nur, dass seine Leistung nicht darin bestand, möglichst schnell einen Berg hinunter zu rasen, durch eine Loipe zu eilen oder von einer Schanze zu fliegen. Sondern der junge Ingenieur war um so besser, je weniger er getan hat. Denn er gehört zu dem knappen Dutzend Testfahrern, die sich während der Olympischen Winterspiele begleitet von vielen hundert internationalen Gästen von einem autonomen Nexo zwischen den Sportstätten haben chauffieren lassen.

Fünf Exemplare ihres neuesten Modells haben die Koreaner dafür umgerüstet, haben Lidarsensoren in Front, Heck und Seite installiert, neue Kameras hinter die Frontscheibe geschraubt und den Kofferraum mit Rechnern vollgepackt. Damit sind die von außen absolut unauffälligen SUV zwei Wochen lang auf einem 15 Kilometer langen Rundkurs zwischen den Sportstätten gependelt, haben Kreisverkehre durchquert, Fußgängerüberwege und Buskolonnen gemeistert, vor Ampeln gestoppt und sich selbst nicht von Fans aus dem Konzept bringen lassen, die im Siegestaumel kreuz und quer über die vierspurige Straße gelaufen sind.

Und statt die Autos auf dem Transporter von Seoul nach Pyeongchang zu bringen, hat Hyundai schon den Transfer zur Testfahrt gemacht und den Nexo führerlos über die 190 Kilometer lange Autobahn-Etappe in das östliche Küstengebirge geschickt – Tunnel, Autobahnkreuze und Mautstellen inklusive, sagt Yechan Ko, und spricht von einer Fahrt, die er gleichermaßen als langweiligste und spannendste in seiner Karriere in Erinnerung behalten wird. „Selten hat mich Nichtstun so angestrengt wie in diesen gut zwei Stunden.“

Dabei baut Hyundai nicht zuletzt auf die Erfahrungen, die die Koreaner am Rande der CES 2017 in Las Vegas mit einem entsprechend umgerüsteten Ioniq gesammelt haben. „Doch seitdem haben wir die Technik noch einmal deutlich verbessert“, sagt Ko: Die Umgebungserkennung ist besser und der Blick schärfer geworden, die Elektronik kann nun an Abzweigungen schneller eine bessere Entscheidung treffen. Und wenn zum Beispiel in den vielen Tunneln zwischen Seoul und Pyeongchang mal das GPS-Signal abreißt, reichen nun die Fahrzeugsensoren für eine präzise Positionierung aus.

Freihändig über die Autobahn und führerlos durch die Stadt: All das kennt man auch von Audi, Mercedes, Ford, oder Toyota. Doch der Nexo ist kein Prototyp wie jeder andere. Sondern das 4,67 Meter lange SUV ist das erste Fahrzeug, bei dem die Technik für das autonome Fahren mit einem Brennstoffzellenantrieb kombiniert wird. „So besetzen wir mit einem Auto gleich zwei der wichtigsten Zukunftstrends unserer Branche“, sagt Projektleiter Sae Hoon Kim und glaubt, dass sich die beiden Technologien sogar gegenseitig befruchten können: Das Brennstoffzellenfahrzeug hat kein Reichweitenproblem wie ein E-Auto mit Akku, soll auf rund 800 Kilometer Aktionsradius kommen muss danach nicht stundenlang laden, sondern nur fünf Minuten tanken. Ergänzt wird das vom Autopilot, der als sparsamer und effizienter als jeder menschliche Fahrer gilt. Und weil das Heer von Sensoren und Steuergeräten für das autonome Fahren im Schnitt 1,5 kW elektrischer Leistung zieht, sei ein eigenes Kraftwerk an Bord keine schlechte Ausgangslage, so Kim.

Anders als die Sensoren und die Software fürs autonome Fahren, ist der Antrieb dabei keine Einzelanfertigung mehr, sondern stammt aus der Serienproduktion. Denn nach Toyota Mirai und Honda Clarity ist der Nexo das dritte dezidierte Brennstoffzellenfahrzeug, das man kaufen kann. In Korea bereits in diesem Frühjahr und in Europa für Preise um 60.000 Euro nach den Sommerferien. Und auch auf den Autopiloten müssen die Kunden der ersten Stunde nicht komplett verzichten, sagt der Projektleiter. Als erster Hyundai bekommt der Nexo den Highway Drive Assist, mit dem man genau wie in der Mercedes S-Klasse oder dem Siebener BMW nahezu automatisch über Fernstraßen fährt, weil die Elektronik Abstand und Spur alleine hält. Die Hände am Lenkrad werden da zu einer reinen Formalität.

Und dabei soll es nicht lange bleiben, Hyundai hat ambitionierte Ziele fürs autonome Fahren. Nicht zuletzt mit der Hilfe von Aurora, einem neuen Zulieferer, der vom ehemaligen Google-Projektleiter Chris Urmson gegründet wurde, wollen sie den Autopiloten bereits zum Anfang des nächsten Jahrzehnts in Serie bringen. Und zum Ende der Dekade soll es bei den Koreanern das erste Auto ganz ohne Lenkrad und Pedale geben.

Olympia oder nicht – Yechan Ko wird bis dahin die Hände noch ganz schön oft in den Schoß legen müssen. Doch jetzt, wo die Winterspiele vorbei sind, macht der junge Ingenieur erst einmal Urlaub und mit ein bisschen Glück wird es ihn endlich sogar auf die Skipiste verschlagen. Er kann die freien Tagen kaum erwarten, denn auch wenn es die Kollegen im Entwicklungszentrum in Namjang nicht glauben wollen: „Zwei Wochen lang Nichtstun kann ganz schön anstrengend sein.“ (Benjamin Bessinger/SP-X)

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