Zu Gast beim ADAC Opel Electric Rally Cup

12.09.2024 von Vanessa Lisa Oelmann

Starke Frauen, röhrende Elektroautos und ganz viel Schotter

Rallyesport und Elektromobilität – passt das überhaupt zusammen? Na klar! Wir sind zu Gast beim ADAC Opel Electric Rally Cup und kommen mit den aufstrebenden Rallyepilotinnen ins Gespräch.

Lübbecke, so heißt die kleine Stadt zwischen Paderborn und Osnabrück, wo Motorsportfans mehrmals im Jahr voll auf ihre Kosten kommen. Am 9. und 10. August gastiert hier die 53. ADAC Rallye Stemweder Berg. Gleich 71 Teams treten an diesem Wochenende an und absolvieren über beide Tage verteilt 14 Wertungsprüfungen. Bei meiner Ankunft im Servicepark werde ich direkt von laut röhrenden Suzuki Swifts und Toyota Yaris‘ mit überdimensionierten Heckspoilern begrüßt. Mein Interesse gilt allerdings jenen Fahrzeugen mit dem tosend lauten Dröhnen, das eindeutig von einem Soundgenerator erzeugt wird: Unter all den mit Dinosaft betriebenen Rallye-Geräten sind hier nämlich auch ganz besondere Rüsselsheimer Elektroautos am Start.

Der ADAC Opel Electric Rally Cup „powered by GSe“ wurde 2021 ins Leben gerufen, es handelt es sich dabei um den ersten und bis dato einzigen elektrischen Rallye-Markenpokal weltweit. Ebenso ist der Opel Corsa Rally Electric das weltweit erste vollelektrische Rallyefahrzeug und wurde speziell für diese Serie entwickelt. Der Cup umfasst mehrere Veranstaltungen, die sowohl in Deutschland als auch im europäischen Ausland stattfinden. Alle Fahrzeuge sind identisch, was bedeutet, dass der Erfolg der Fahrerinnen und Fahrer von ihrem Können und nicht von der Leistungsfähigkeit ihres Fahrzeugs abhängt. Das Konzept spricht viele talentierte Fahrerinnen an, die hier in einer traditionell männerdominierten Sportart nach einer Möglichkeit suchen, ihr Können zu beweisen. Sehr gute Leistungen zahlen sich aus, denn die besten Talente des ADAC Opel Electric Rally Cups erhalten die Chance, direkt in die Rallye-Junior-Europameisterschaft (JERC) aufzusteigen.

Plötzlich mit Beifahrer

Erstmalig beim elektrischen Markencup dabei ist Claire Schönborn, die als vielversprechendes Nachwuchstalent im Bergrennen gilt, dort im vergangenen Jahr ihre erste volle Saison absolviert hat und tatsächlich eher durch Zufall in den elektrischen Rallyesport gerutscht ist. Heute bestreitet sie am Stemweder Berg ihre erste Wertungsprüfung. Schönborn weiß, was es bedeutet, in einer männerdominierten Branche unterwegs zu sein. „Von 180 Startern beim Bergrennen sind vielleicht fünf weiblich und dann auch eher in langsameren Klassen unterwegs. Am Anfang wird man da schon mal schief angeguckt, aber das legen die Jungs ganz schnell ab, sobald man Leistung zeigt“, lacht sie. Der wichtigste Unterschied zum Bergrennen: War Schönborn in ihrem 1983er Golf 1 STW bislang immer als Einzelkämpferin angetreten, hat sie nun mit Lisa Kiefer erstmals eine Copilotin an ihrer Seite. „Ungewohnt ist es auf jeden Fall, aber ich kannte die Lisa schon davor, das hilft enorm.“

Das Hirn sitzt rechts

Bereits ein eingespieltes Team hingegen sind die beiden Österreicher Luca Pröglhöf, einer der aufsteigenden Sterne im Rallyesport, und seine Copilotin Christina Ettel, mit der ich in der Opel Hospitality ins Gespräch komme. Ettel ist 37 Jahre alt und bereits seit 2003 im Rallyesport heimisch, die Leidenschaft wurde ihr in die Wiege gelegt: „Mein Papa ist totaler Motorsportfanatiker. Ich bin als Kind Gokart-Slalom gefahren und dann durch den Motorsportverein zum Rallyesport gekommen.“ Auf meine Frage hin, ob es sie denn gar nicht störe, als Copilotin häufig im Schatten von Pröglhof zu stehen, zucken ihre Mundwinkel belustigt.

Die Tätigkeit des Copiloten werde insbesondere von Außenstehenden häufig unterschätzt, berichtet sie, aber wer mit dem Sport vertraut sei, der wisse genau, wie wichtig diese Rolle ist. „Ich schotte Luca vor der Prüfung von allem ab. Sämtliche Entscheidungen, die vor dem Start getroffen werden müssen, für das alles bin ich zuständig. Manchmal spreche ich ein paar Dinge mit ihm ab, aber normalerweise halte ich ihn da raus. Luca sagt immer: Nicht denken, nur lenken. Und so machen wir das dann auch. Er lenkt und ich kümmere mich um den Rest.“ Tatsächlich höre ich in den beiden Tagen am Stemweder Berg immer wieder den Spruch „das Hirn sitzt rechts“ – schade, dass die Copiloten in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Anerkennung bekommen, die ihnen eigentlich zusteht.

Viel Rallyespaß dank sofort anliegendem Drehmoment

Schon am ersten Tag fällt mir eine junge Frau im Opel-Rennanzug auf, die quasi immer mit einem breiten Grinsen anzutreffen ist. Emma Chalvin ist ihr Name, eine 23-jährige Französin. Chalvin erzählt mir in einer Pause zwischen zwei Wertungsprüfungen, dass der französische Motorsport-Verband FFSA junge Rallyefahrerinnen fördert und sie auf diese Weise zum elektrischen Rallyesport kam. Ihre nicht minder strahlende Copilotin Emy Ailloud-Perraud sieht sie als Schwester an, obwohl die beiden erst seit vergangenem Jahr zusammen antreten. Em&Em werden die beiden hier liebevoll genannt und versprühen selbst während der hektischen Phasen im Servicepark eine Menge guter Laune. Auf die Frage hin, was ihr am elektrischen Rallyesport besonders Spaß macht, fällt Chalvins Antwort sehr eindeutig aus: „Das Drehmoment ist toll! Das gibt es in der Klasse so bei keinem Verbrenner-Rallyefahrzeug.“

Elektrischer Rallyesport stellt aber auch große Herausforderungen an Teilnehmer und Organisation. Grund hierfür ist aber nicht etwa das fehlende Motorgeräusch und die damit verbundenen Emotionen. „Die komplexe Ladeinfrastruktur hier, die auf den LKWs hergefahren und aufgebaut werden muss, das ist schon sehr aufwendig“, so Ettel. Schönborn ergänzt: „Gerade bei den Bergrennen, da stehen wir irgendwo im Nirgendwo. Dieses Set-Up jedes Mal aufzubauen, damit jeder seinen eigenen Ladeblock hat, davor schrecken bestimmt viele zurück.“

Ein einzigartiges Ladekonzept

Das „big brain“ hinter jener komplexen Ladeinfrastruktur heißt Martin „Schalli“ Schallermeir und gibt mir eine Tour durch das eigens für den Markencup entwickelte System, über das wir bereits letztes Jahr berichteten. Hier wird der Strom vom öffentlichen Mittelspannungsnetz mit rund 20.000 Volt abgenommen und in einem eigenen Transformator in 1.000 Volt Gleichstrom umgewandelt, welcher dann an die einzelnen Ladepunkte im Servicepark weitergeleitet wird. Somit können alle Rallye-Fahrzeuge mit theoretisch bis zu 140 kW DC geladen werden, die elektrischen Corsas können allerdings maximal 100 kW Gleichstrom aufnehmen. In rund 25 Minuten sind die Akkus gefüllt und bereit für die nächste Wertungsprüfung, während des Ladevorgangs können die Mechaniker ungestört an den Fahrzeugen schrauben.

Das System funktioniert einwandfrei und ohne technische Zwischenfälle, doch bis dahin war es ein langer Weg, erzählt mir Jörg Schrott, Direktor Motorsport bei Opel. Nicht nur musste das aufwendige Ladekonzept entwickelt und umgesetzt werden, auch das Regelwerk für den elektrischen Rallyesport wurde von Grund auf erarbeitet. „So was gab es ja bisher noch gar nicht. Wir haben da komplett von null angefangen. Keiner dachte, dass wir das schaffen.“ Er deutet grinsend an, dass andere OEMs nun, da Opel die Tauglichkeitsprüfung bestanden hat, ebenfalls einen Eintritt in den elektrischen Rallyesport in Erwägung ziehen. Zudem gibt er mir einen ersten Ausblick auf ein neues Fahrzeug, mit dem Opel in absehbarer Zukunft die elektrischen Rallyes bestreiten will, genauere Infos kann ich ihm aber selbst mit meinen bohrenden Nachfragen nicht entlocken.

Die Rüsselsheimer haben vorgelegt, wer zieht nach?

Ich verlasse Lübbecke am Abend des zweiten Prüfungstages voller Staub, der entlang der Strecke von den Fahrzeugen aufgewirbelt wurde, mit einer 500-Ampere-Sicherung des einzigartigen Opel-Ladeparks, die Schalli mir geschenkt hat, sowie einer neugewonnenen Anerkennung für den Rallyesport. Die sympathischen Pilotinnen, das familiäre Beisammensein vor Ort und die Herzlichkeit aller Beteiligten hat mich nachhaltig beeindruckt, aber insbesondere das Herzblut, das Opel im Alleingang in dieses Projekt gesteckt hat, ringt mir eine Menge Respekt ab. Wie lange es wohl noch dauern wird, bis wir markenübergreifende vollelektrische Rallye-Meisterschaften sehen werden? Zumindest das Opel-Motorsport-Team scheint für die kommenden Jahre noch viele coole Dinge geplant zu haben – es bleibt also spannend.

Fotos: Opel

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